Adolf Stoecker
Name bedeutet: edler Wolf (althochdt.)

Adolf Stoecker, Sohn eines Wachtmeisters, studierte in
Halle und
Berlin, arbeitete dann ab 1859 fast vier
Jahre als Hauslehrer in Kurland - dem heutigen Kurzeme - und
ab 1863 als Pfarrer in drei Gemeinden. 1874 berief ihn Kaiser Wilhelm I. als vierten Hofprediger nach Berlin. 1877 wurde
er Leiter der drei Jahre zuvor gegründeten Berliner Stadtmission, die den Verfall der Religion aufhalten wollte. Außerdem
engagierte er sich im Zentralverein für Sozialreform auf religiöser und konstitutionell-monarchischer Grundlage
.
In diesen Tätigkeiten kam er in engeren Kontakt zur Arbeiterklasse und warnte die Kirche, den Kontakt zu dieser
Bevölkerungsschicht zu verlieren. Er setzte sich für einen christlich geprägten Sozialismus ein und gründete 1878 die
christlich-soziale Arbeiterpartei - 1881 in Christlich-Soziale Partei umbenannt -, die mit christlich-monarchischer
Sozialpolitik und antisemitischer Agitation die Bindung der Arbeiterschaft zur Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
(SPD) lösen wollte. Stoeckers Partei, die von der Kirchenleitung bekämpft wurde, konnte bei den Reichstagswahlen aber
keine Erfolge erzielen.

Nachdem Stoeckers Versuch, die Arbeiterschaft für seine Partei zu gewinnen, gescheitert war, wandte er sich - nun
erfolgreicher - mit antisemitischer Propaganda an den kleinbürgerlichen Mittelstand. Er kämpfte gegen die jüdische
Weltherrschaft
; die Juden, die als ein fremdes Volk unter uns leben
sollten kein Wahlrecht haben und nicht
Beamte werden können. 1880 gründete er die Berliner
Bewegung
als Zusammenschluss antisemitischer Gruppierungen. Reichskanzler Otto von Bismarck erwog, Stoeckers Gedanken
unter das Sozialistengesetz fallen zu lassen und so zu unterdrücken, Stoecker aber wurde von Kaiser Wilhelm I. begünstigt,
da er tatsächlich ja nicht auf der Seite der Arbeiter stand, sondern die Monarchie retten wollte. 1883 zwang Bismarck
Stoecker zur öffentlichen Verzichtserklärung auf weitere politische Betätigung.
1890, nach der Aufhebung des Sozialistengesetzes, begann Stoecker erneut politisch zu wirken; nicht nur durch die
gewaltigen Versammlungen, die er abhielt, fiel er schließlich bem Kaiser in Misskredit und wurde als Hofprediger entlassen.
Er kümmerte sich nun intensiv um die Berliner
Stadtmission und entwickelte eine weitgefächerte Arbeit, die sich der Kranken, Behinderten und sozial benachteiligten
Gruppen annahm. Im gleichen Jahr gründete er zusammen mit Liberalen wie Adolf von Harnack den Evangelisch-sozialen
Kongress
zur Erforschung der sozialen Frage. Nach der Entlassung Bismarcks gewann Stoecker in der Deutschkonservativen
Partei erneut an Einfluss, 1892 gelang es ihm im Tivoli-Programm
der Partei, seinen sozialen und antisemitischen
Standpunkt durchzusetzen, 1898 bis 1908 war er dann erneut Mitglied des Reichstags. Er starb an seinem Alterssitz in
Südtirol.
Stoeckers Eintreten für einen christlichen Sozialismus blieb letztlich erfolglos, seine antisemitische und
antimodernistische Weltanschauung trug entscheidend zu der verhängnisvollen Polarisierung der deutschen Gesellschaft
vor und nach dem Ersten Weltkrieg
bei, so das Urteil des evangelischen Sozialethikers Günter Brakelmann. Und Stoeckers
Antisemitismus legte eine Spur, die dann auch zu den Schrecken des Nationalsozialismus führte.
Stoecker war im Evangelischen Namenkalender
enthalten. 2011 beschloss die Synode der Mitteldeutschen Kirche, den
Vorstand der liturgischen Konferenz um Streichung des Gedenkens an den Antisemiten zu bitten, die dann für das Kirchenjahr
2013/2014 erfolgte. Die Stadt Bielefeld änderte
schon 1987 den Namen der Adolf-Stöcker-Straße um in Bernhard-Mosberg-Straße, 2007 benannte die Stadt
Bochum die Adolf-Stöcker-Straße um in
Anne-Frank-Straße und 2012 Mülheim an der Ruhr
die Stöcker-Straße und den Stöcker-Platz in Anne-Frank-Straße/-Platz.
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Autor: Joachim Schäfer
- zuletzt aktualisiert am 04.07.2021
Quellen:
• Uwe Puschner. In: Friedrich-Wilhelm Bautz †, Traugott Bautz † (Hg.): Biographisch-Bibliographisches
Kirchenlexikon, Bd. X, Herzberg 1995
• http://www.hagalil.org/s1/schule-judentum/projekt/stoecker.htm
• http://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/nstopo/strnam/Begriff_21.html
• https://www.derwesten.de/staedte/muelheim/umbenennungen-id6414994.html
korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
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