Ökumenisches Heiligenlexikon

Coelestin V.

Taufname: Peter / Pietro Angelerio
auch: Peter von Morrone


Gemälde aus Frankreich: Cölestin V. wird zum Papst gekrönt, 16. Jahrhundert
Gemälde aus Frankreich: Coelestin V. wird zum Papst gekrönt, 16. Jahrhundert

Mit zwölf Jahren trat der ohne Schulbildung aufgewachsene Bauernsohn Peter Angelerio ins Benediktinerkloster Santa Maria di Faifoli in Montagno bei Campobasso ein. Schon 1231 beschloss er, ein Leben als Einsiedler zu führen; ab 1235 lebte er in den Bergen an der Stelle der späteren Abtei Santo Spirito del Morrone bei Sulmona, nun nannte er sich Pietro de Morrone, 1246 zog er in die Einsiedelei Santo Spirito a Majella bei Roccamorice. Viele Gleichgesinnte folgten ihm und bildeten die Urzelle des Cölestinerordens, den Peter nach dem Vorbild der Zisterzienser organisierte. Er erwies sich als fähiger Leiter der Gemeinschaft und erwirkte viele Schenkungen, er erbaute eine Kirche, wurde Abt weiterer Klöster und gab seinem Orden eine straffe Organisation; der Orden breitete sich aus bis nach Rom und Apulien. Im Winter 1273/74 ging Peter zu Fuß nach Frankreich, um vor dem Zweiten KonzilSynode (altgriech. für Zusammenkunft) bezeichnet eine Versammlung in kirchlichen Angelegenheiten. In der alten Kirche wurden "Konzil" und "Synode" synonym gebraucht. In der römisch-katholischen Kirche sind Synoden Bischofsversammlungen zu bestimmten Themen, aber mit geringerem Rang als Konzile. In evangelischen Kirchen werden nur die altkirchlichen Versammlungen als Konzile, die neuzeitlichen Versammlungen als Synode bezeichnet. von Lyon bei Papst Gregor X. die Anerkennung seiner Ordensgemeinschaft zu erbitten. Auf der Rückreise hatte Peter eine Vision, aufgrund der er die Kirche Santa Maria di Collemaggio in L'Aquila errichten ließ.

Trotz seiner Popularität - von mehreren wunderbaren Heilungen wird berichtet - blieb Peter ein unpolitischer, einfacher Bauernsohn mit starkem Hang zum Mystizismus. 1286 verzichtete er auf die Würden als Abt und Prior und lebte wieder als einfacher Eremit; dennoch hatte sich sein Ruf der Heiligkeit und des wirkungsvollen Organisators in der vatikanischen KurieAls römische Kurie (von lateinisch curare = „pflegen, sich kümmern”) werden seit dem 11. Jahrhundert die Leitungs- und Verwaltungsorgane der katholischen Weltkirche in Rom genannt. Die Kurie ist für die Gesamtkirche zuständig, nicht für die Regierung des Staates Vatikan. und am Königshof in Neapel verbreitet.

Noch während seiner Zeit als Einsiedler wurde Peter am 5. Juli 1294 in Perugia auf Betreiben des neapolitanischen Königs Karl II. von Anjou als fast 80-jähriger zum Papst gewählt; seine Wahl beendete harte Auseinandersetzungen im nur zwölfköpfigen Kardinalskollegium und eine zweijährige Vakatur. Als ihn die Nachricht von der Wahl erreichte, wollte er mit einem Mönchsbruder in die Wildnis fliehen. Ich schaffe es nicht, mich selbst zu retten; wie soll ich da die ganze Welt retten?, soll er ausgerufen haben. Doch seine Anhänger umlagerten seine Zelle und überzeugten ihn: es sei eine Todsünde, die Wahl auszuschlagen. Am 28. Juli 1294 zog Peter - dem Beispiel Jesu Christi folgend - auf einem Esel in L'Aquila ein, wo er in seiner Kirche Santa Maria di Collemaggio gekrönt und geweiht wurde. Viele in der Menschenmenge meinten, die Wiederkunft Christi zu erleben - oder zumindest den Einzug des Engelpapstes: dieser sollte nach den Verheißungen des Joachim von Fiore das Zeitalter des Heiligen Geistes einleiten und die Kirche in eine Epoche der Ruhe und des Glücks führen.

Tapisserie: Petrus de Muranos Wahl zum Papst, Vatikanische Museen in Rom
Tapisserie: Petrus de Muranos Wahl zum Papst, Vatikanische Museen in Rom

Doch Coelestin besaß keinerlei Erfahrungen auf dem Gebiet der Verwaltung der KurieAls römische Kurie (von lateinisch curare = „pflegen, sich kümmern”) werden seit dem 11. Jahrhundert die Leitungs- und Verwaltungsorgane der katholischen Weltkirche in Rom genannt. Die Kurie ist für die Gesamtkirche zuständig, nicht für die Regierung des Staates Vatikan. und ließ sich seine Politik schon bald vom neapolitanischen König Karl II. diktieren. Unter dessen Druck musste er im Oktober 1294 seinen Amtssitz an den Königshof im damals neuen Castel Nuovo nach Neapel verlegen. Auch Coelestin war wohl durch Joachim von Fiores Einteilung der Zeitalter beeinflusst: im September 1294 ernannte er zwölf neue Kardinäle und unter ihnen viele Mönche - möglicherweise wollte er das verheißene Zeitalter des Heiligen Geistes und mönchischen Lebens einleiten. Gleichzeitig breitete sich in der Kirchenleitung Chaos und Korruption aus.

Niccolò di Tommaso: Fresko, um 1360, im Museum im Castel Nuovo in Neapel
Niccolò di Tommaso: Fresko, um 1360, im Museum im Castel Nuovo in Neapel
Foto: Marie-Lan Nguyen

Coelestin bemerkte, dass es ihm nicht gelingen würde, die Kirche selbst zu führen. Sein Entschluss zur Abdankung wurde wohl auch durch Kardinal Benedikt Caëtani gefördert, der die Abdankungsurkunde verfasste - und als Papst Bonifatius VIII. schon nach elf Tagen Vakanz Coelestins Nachfolger wurde. Das Volk war entsetzt, als es von der Absicht des Kirchenfürsten erfuhr, sein Amt niederzulegen; vor dem päpstlichen Quartier versammelte sich eine Menschenmenge, die die Demission verhindern wollte. Coelestin verzichtete auf die Abdankung, aber sieben Tage später, am 13. Dezember 1294, war es soweit: Nachdem er die Frage nach der Möglichkeit einer Abdankung durch Erlass einer Konstitution darüber selbst beantwortet hatte, legte Coelestin vor dem Kardinalskollegium in Neapel die päpstlichen Insignien nieder, zog die prunkvollen Gewänder aus und streifte wieder seine Mönchskutte über.

Der am 24. Dezember 1294 als Nachfolger gewählte Papst Bonifatius VIII. wollte den Abgedankten unter Aufsicht haben, der aber floh auf dem Weg von Neapel nach Rom erst in seine alte Mönchszelle in der Abtei Santo Spirito del Morrone bei Sulmona, dann nach Apulien, von wo aus er nach Griechenland fliehen wollte; dort wurde er gefasst, gefangen genommen und im Juni 1295 zum neuen Papst in dessen Sommerresidenz in Anagni gebracht. Um zu verhindern, dass die Anhänger Coelestins ein Schisma auslösten, hielt Bonifatius ihn bis ans Lebensende in der Festung Castello di Fumone bei Rom gefangen.

Seine Mitbrüder, die Coelestin als Engelgleichen verehrten, Teile des Franziskanerordens und die französischen Gegner von Papst Bonifatius VIII. betrieben die rasche Heiligsprechung, die durch Papst Clemens V. 1313 in Avignon vorgenommen wurde. Die Reliquien Cölestins werden in der Basilika Santa Maria di Collemaggio in L'Aquila verehrt; der Sarg ist nun aus Panzerglas, nachdem Unbekannte die Gebeine 1988 gestohlen hatten. Der Schrein wurde nach dem Erdbeben von 2009, bei dem die Basilika zerstört wurde, der Schrein aber unversehrt aus den Trümmern geborgen werden konnte, in die Krypta der Kathedrale in Sulmona übertragen.

In L'Aquila am 28. August das große Fest Perdonanza, Vergebung zur Erinnerung an Coelestins Papstweihe gefeiert, verbunden mit einem Sündenerlass; es zählt bis heute zu den größten Festen der Region. Coelestin verfügte 1294 mit der Bulle Inter sanctorum solemnia, Feier mit den Heiligen, den Ablass für Büßer, die am 28. oder 29. August die Kirche Santa Maria di Collemaggio durch die Heilige Pforte betreten. Diese Feier wurde sechs Jahre vor den von Papst Bonifatius VIII. eingeführten und seitdem gefeierten Heiligen Jahren begangen und ist damit der Ursprung der Vergebungswallfahrten. Die Basilika Santa Maria di Collemaggio ist die einzige katholische Kirche weltweit, die eine Heilige Pforte für einen jährlichen Ablass besitzt.

Den Cölestinerorden gliederte Papst Gregor X. 1275 in den Benediktinerorden ein. 1785 schloss das letzte Coelestinerkloster seine Pforten.

Coelestin war - bis zum Rücktritt von Papst Benedikt XVI. im Jahr 2013 - der einzige Papst der Kirchengeschichte, der auf eigenen Entschluss auf das Amt verzichtete. 1 Manche Interpreten halten ihn für einen heiligen Narren nach dem Urbild der Narren um Christi willen, andere loben sein Beispiel als das eines Kirchenfürsten ohne Machtambitionen, manche verbinden mit dem Engelpapst Endzeit-Spekulationen. Dante, der italienische Dichterfürst, verdammte den Coelestin ob seines feigen Verzichts in die Hölle.

Kanonisation: Schon am 5. Mai 1313 erfolgte Coelestins Heiligsprechung durch Papst Clemens V.
Patron von L'Aquila; der Buchbinder

Wortlaut der Demission von Coelestin V.

  Bullen von Coelestin gibt es online zu lesen in den Documenta Catholica Omnia.

1 In der Kirchengeschichtsforschung wird die Zahl der zurückgetretenen Päpste gelegentlich auf bis zu 10 geschätzt, wirklich belegbar ist aber nur der Amtsverzicht von Coelestin. Gregor XII. trat 1415 als Folge der Auseinandersetzungen um die Gegenpäpste jener Zeit auf dem Konstanzer Konzil auf Druck seiner Gegner zurück.

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Das Castel Nuovo in Neapel ist werktags von 8.30 Uhr bis 19 Uhr geöffnet, der Eintritt beträgt 6 €. (2022)





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Autor: Joachim Schäfer - zuletzt aktualisiert am 03.09.2022

Quellen:
• Vera Schauber, Hanns Michael Schindler: Heilige und Patrone im Jahreslauf. Pattloch, München 2001
• Karl Heussi: Kompendium der Kirchengeschichte. Tübingen, 1976
• Michael Trauthig: Der Engelpapst dankt ab. Stuttgarter Zeitung, 29. Januar 2000
• http://www.tagesspiegel.de/kultur/L-Aquila;art772,2774284
• Newsletter von Radio Vatikan – 28. April 2009
• Lexikon für Theologie und Kirche, begr. von Michael Buchberger. Hrsg. von Walter Kasper, 3., völlig neu bearb. Aufl. Bd. 2. Herder, Freiburg im Breisgau 1994
• https://de.wikipedia.org/wiki/Santa_Maria_di_Collemaggio
• https://www.die-tagespost.de/kirche-aktuell/wochenheiliger/19-mai-der-heilige-papst-coelestin-v;art4876,208284

korrekt zitieren: Joachim Schäfer: Artikel
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet das Ökumenische Heiligenlexikon in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://d-nb.info/1175439177 und http://d-nb.info/969828497 abrufbar.


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