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Aber der Teufel hasste ihn wegen seines frommen Wandels und brachte Verläumdung über ihn. Es war nämlich in der Kirche ein Mann mit Namen Ephraem, ein Kirchendiener; den verführte der Teufel, dass er vor Liebe zu einem vornehmen jungen Mädchen der Stadt entbrannte. Und wirklich verführte sie der Kirchendiener. Dann aber S. 4 überredete er das Mädchen und sprach: „Wenn deine Eltern es erkennen werden, so sprich zu ihnen: “Der Ephraem, der Heuchler, von dem ihr sagt, er sei der gerechte Schüler des Bischofs, der ist über mich gekommen und hat mich verführt.„"
Kurze Zeit darauf erkannte ihr Vater, dass sie schwanger sei, und fragte sie nach dem Urheber der Schmach, die ihr geschehen. Da antwortete sie ihm, so wie der Diener sie gelehrt hatte: “Der Ephraem, den ihr den Gerechten nennt, der hat mich verführt, und siehe, ich bin schwanger.„ Als das ihre Eltern hörten, eilten sie zu dem Bischofe und verkündigten es ihm. Da erschrak der heilige Hirt über das, was er hörte, und betete zu Gott, (nämlich: um Offenbarung der Wahrheit), aber er wurde von ihm nicht erhört. Indessen flehte der heilige Ephraem zu Gott, er möge dem heiligen Hirten die Wahrheit nicht entdecken. Der Bischof liess aber den Heiligen rufen und sprach zu ihm: “Hast du in Wahrheit dies gethan, mein Sohn?„ Ephraem aber stand schweigend und antwortete nichts. Da fragte der Bischof ihn zum zweiten Male. Der heilige Ephraem wandte sich demüthig zu ihm und sagte: “Ja, mein Vater, ich habe gesündigt.„ Der Hirt aber glaubte den Worten nicht, sondern verwarf dieses Bekenntniss; denn er kannte Ephraem's göttlichen Wandel. - Inzwischen kam die Zeit, wo das Mädchen einen Sohn gebar. Ihr Vater nahm das Kind und brachte es zu dem Bischofe; dann liess er den heiligen Ephraem rufen und sprach zu ihm in Gegenwart des Bischofes und der gesammten Geistlichkeit: “Ephraem nimm deinen Sohn und erziehe ihn.„ Da weinte der Heilige bitterlich und sprach: “Wahrlich meine Väter, ich habe gesündigt.„ Und er nahm das Kind. - Niemand, meine Brüder, vermag den Schimpf und die Schande darzustellen, die diesem Heiligen widerfuhr, Niemand, die Freude, die die Andern darüber empfanden. Das Volk aber wurde sehr erzürnt über den Heiligen. - Wer staunt nicht über den Heiligen, wenn er sieht, wie er das Kind auf seine Arme nahm und S. 5 Milch sich erbettelte zur Nahrung des Kindes? Gar grosse Standhaftigkeit war ihm vom Herrn gegeben, dass er solche Schmach und Schande ertrug. Gott sahe aber die Demuth und Ergebung Ephraem's und wollte die Wahrheit offenbar werden lassen. Und er gab dem Heiligen den Gedanken ein, er handle unrecht vor dem Herrn, dass er sich dem ganzen Volk als Ziel der Beleidigung setze und zum eignen Schaden der ganzen Gemeinde die Wahrheit vorenthalte. Und es erinnerte sich der Heilige des Wortes, welches unser Heiland im Evangelium spricht: “Wehe dem Manne, durch welchen Aergerniss kommt.„ (Matth. 18, 7.)
Endlich als der Clerus und die ganze Gemeinde mit ihrem heiligen Hirten eines Sonntags zum Gebet versammelt waren, da ging der heilige Ephraem, das Kind auf dem Arme, in die Kirche und bat den Hirten um die Erlaubniss, auf die Kanzel steigen zu dürfen. Wie er nun die Kanzel bestiegen, den Knaben in seine Hand genommen und zum Altare hin erhoben, und als er mit lauter Stimme gerufen hatte: “Ich beschwöre dich, Kindlein, im Namen unsres Herrn Jesu Christi, der Himmel und Erde gemacht hat und Alles, was darinnen ist, dass du uns die Wahrheit sagest: Wer ist dein Vater?„ - da öffnete das Kind seinen Mund und rief vor der ganzen Gemeinde: “Ephraem, der Kirchendiener, ist mein Vater.„ Dreimal hatte das Kind diese Worte gesprochen, dann verschied es sogleich in Gott. Als die ganze Versammlung die Stimme des Kindes vernahm, da kam eine grosse Furcht über sie. Alle jammerten und klagten und weinten bitterlich, und sie schlugen ihr Antlitz und riefen aus: “Wehe uns, wehe uns, die wir diesen herrlichen Mann, den heiligen Ephraem, verläumdet haben! Wir dürfen vom Herrn nichts Gutes erwarten, da wir diesen Heiligen so arg verläumdet und beschimpft haben!" Und sie kamen Alle mit dem Vater des Mädchens, das sein Leben verwünschte, und fielen dem h. Ephraem unter Thränen zu Füssen und baten ihn um Vergebung. Der wahre Hirte aber, der h. Jacobus, betete mit dem h. Ephraem für S. 6 die Gemeinde und für den ganzen Clerus, und Alle erlangten Vergebung vom Herrn. Von dieser Zeit an stand der h. Ephraem bei Allen in hohem Ansehn, und Alle verehrten und liebten ihn sehr. Ephraem aber hing dem wahren Hirten treulich an!
