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Da es also für die Philosophen ein Ding der Unmöglichkeit ist, das Wesen der Seele des Menschen in Übereinstimmung ausfindig zu machen, so dürften sie schwerlich bezüglich der Götter und der Welt die Wahrheit beibringen. Denn sie besitzen die Kühnheit, um nicht zu sagen die Unverfrorenheit, daß sie, die nicht einmal imstande sind, ihre eigene Seele zu erforschen, Untersuchungen anstellen über die Natur der Götter selbst und sich, die ja betreffs ihres eigenen Leibes nichts wissen, um die Natur des Weltalls abmühen. So widersprechen sie sich gar arg schon hinsichtlich der Grundprinzipien der Natur. Da nimmt S. 117 mich Anaxagoras beiseite, und lehrt mich: „Das Grundprinzip aller Dinge ist der Verstand und dieser ist der Grund und Herr aller Dinge; er gibt Ordnung dem Ungeordneten, Bewegung dem Unbewegten, Scheidung dem Zusammengemengten und Schönheit dem Unschönen“. Mithin ist mir Anaxagoras teuer und ich glaube seiner Lehre. Aber gegen ihn treten Melissus und Parmenides auf. Und zwar verkündet Parmenides sogar in poetischen Worten, daß das Wesen der Dinge Eins sei, ewig, unbegrenzt, unbeweglich und Einer Art. Und wiederum gehe ich in dieser Lehre, ich weiß nicht wie, ganz auf. Parmenides hat Anaxagoras aus meinem Herzen hinausgedrängt. Wollte ich aber glauben, ich besäße eine unerschütterliche Lehre, so ergreift Anaximenes das Wort und schreit dawider: „Ich aber sage dir, das All ist die Luft und wenn diese sich verdichtet und zusammenzieht, so wird sie zu Wasser, und dehnt sie sich aus, so wird sie zu Äther und Feuer; kehrt sie zu ihrer eigenen Natur zurück, so wird sie zur flüssigen Luft; verdichtet sie sich aber auch noch, so ändert sie ihre Natur“. Und wiederum stimme ich diesem bei und habe den Anaximenes lieb.
