I. „Gegen die Heiden.“
Das Einleitungskapitel enthält die Zweckangabe für beide Schriften, nämlich die Nichtigkeit und Verwerflichkeit des heidnischen Götzenkultes aufzudecken, um dann die wahre Gottesverehrung im Monotheismus und speziell den christlichen Glauben an die Gottheit des menschgewordenen Logos und sein Erlösungswerk in desto reinerem Lichte erstrahlen zu lassen.
Der Einleitung folgt in cc. 2-29 der erste Hauptabschnitt, eine ausführliche Widerlegung des Götzendienstes mit zwei Unterabteilungen:
Sie belehren (cc. 2-8) über den Ursprung des Bösen und des Götzendienstes: Das Böse ist nicht etwas Prinzipielles; es kommt ihm kein wahres Sein zu. – Es kam mit dem Mißbrauch der Freiheit, insofern der Mensch, an sich gut veranlagt für die Betrachtung Gottes und die Anschauung des Wahren und Guten, von dieser göttlichen und himmlischen Betrachtungsweise sich abkehrte (c. 2), das Irdische zu schätzen und zu suchen begann und immer mehr seinen leiblichen Begierden willfährig wurde. Die Einzelsünde führte rasch zur Gewohnheitssünde, zum Laster (c.3). Dieser Abfall des Menschen von Gott und dem Guten vollzog sich auf dem Wege der doppelten Erkenntnis, daß auch das Böse möglich (c. 4) und dies als möglich erkannte Böse auch erlaubt wäre (c. 5). Die heidnische und häretische These, das Böse sei eine Substanz, wird mit S. 527 Vernunft- und Schriftbeweisen widerlegt (cc. 6. 7). Die selbstverschuldete Bosheit war nun primäre Ursache des Götzendienstes (c.8).
In der zweiten Unterabteilung (cc. 9-29) wird der Götzenkult in seiner Weiterentwicklung und in seinen einzelnen Formen dargestellt und kritisiert sowie die mit ihm verbundenen oder durch ihn verschuldeten sittlichen Verirrungen aufgezeigt. - Nach einer mehr summarischen Übersicht über die immer tiefer sinkende Göttervorstellung (cc. 9.10) verspottet und widerlegt Athanasius den göttlichen Charakter der erdichteten Götter auf Grund ihrer ganz unsittlichen Handlungen und Eigenschalten (cc.11-15). Sind aber diese verwerflichen Handlungen und Eigenschaften der Götter nur dichterischer Lizenz zugute zu halten, dann sind wohl auch die Namen der Götter und sie selbst nur eine dichterische Fiktion (cc. 16. 17). Dem Einwand, die Götter verdanken ihre Verehrung ihren Erfindungen, begegnet er mit der Antwort, man würde vernünftiger die Erfindungen dem Menschengeiste gutschreiben oder andernfalls wenigstens alle Menschen, die nachweisbar Erfindungen gemacht haben, auch zu Göttern erheben (c.18). Wenn die Heiden die Götzenbilder samt deren Anbetung zu rechtfertigen suchen als Medien für göttliche Erscheinungen und Offenbarungen, bzw. als Postulate des menschlichen Herzens, das nach einem sinnlichen Kult begehrt (c. 19), so wäre es der Gottheit würdiger, in lebenden Geschöpfen sich zu offenbaren und darum vernünftiger, solche zu verehren als tote Bildwerke. Wenn aber die menschliche Kunst die göttliche Erscheinung veranlaßt, dann wäre eher der Künstler als sein Werk anbetungswürdig (cc. 20. 21). Zudem sind die Darstellungen der Götter in den unwürdigen Formen von Menschen und allerlei Getier widersinnig (c. 22). - Die Nichtigkeit der heidnischen Götter erhellt sodann aus ihrer örtlichen Beschränkung und aus der Geringschätzung der verschiedenartigen Kultfiguren und Kultgegenstände seitens der Nachbarstädte und Nachbarvölker (cc. 23. 24) sowie auch aus dem unsittlichen und widernatürlichen Kult, den man diesen Göttern zollt (cc. 25. 26). In cc. 27 und 28 wendet Athanasius sich S. 528 gegen den Sternenkult mit Berufung auf die Vernunft und Heilige Schrift. Auch nicht das Weltganze könne als Gott angesprochen werden, da es aus Teilen zusammengesetzt ist und stetem Wechsel unterliegt.
In einem zweiten Hauptabschnitt (cc. 30-41) wird der bunten Musterkarte von Göttern und Kulten der eine, wahre Gott gegenübergestellt.
Zunächst wird in cc. 30-34 auf die menschliche Seele verwiesen als auf den Weg zur Erkenntnis des wahren Gottes (c.30), deren Vernünftigkeit aus ihren Äußerungen (cc. 31. 32) und deren Unsterblichkeit mit Vernunftgründen (c.33) erwiesen. Doch nicht die sündenbeschmutzte, sondern nur eine von Begierlichkeit freie Seele ist für die Erkenntnis des wahren Gottes disponiert (c. 34).
In cc. 35-45 wird dann die menschliche Seele im Verein mit der Zweckmäßigkeit der Naturordnung zum Argument für die Existenz Gottes (cc. 35-31), und eben diese Harmonie und die Einzahl der Welt zum Beweis für das Dasein eines Gottes (cc. 38-39), der kein anderer sein kann als der Vater Christi, der göttliche Logos (cc. 40-45). Für diese Thesen liefert auch die Heilige Schrift die Belege (cc. 46-41).
Im Schlußkapitel (c. 41) hat Athanasius auch schon den Übergang zur zweiten Schrift de incarnatione gefunden, wenn er thematisch angibt, daß Gott eben diesen Sohn und Logos der Welt nicht verborgen, sondern geoffenbart habe und in ihm sich selbst.
