2.
Am Epiphaniefeste 361 hatte er zu Vienne zum letztenmale dem christlichen Gottesdienste beigewohnt. Schon bald danach, noch auf dem Zuge nach dem Balkan, warf er die Maske weg und opferte den Göttern, namentlich dem Helios und dem Zeus, ganze Hekatomben, wie er selbst mit Stolz seinem Freunde Maximus1und seinem Oheim Julian2schreibt.
Als er aber nunmehr Inhaber der höchsten Macht geworden war, beeilte er sich, sie seinen christentumfeindlichen Plänen dienstbar zu machen. Er trat nicht als Christenverfolger alten Stiles auf, sondern ging viel raffinierter zu Werke3.
Er setzte das Heidentum wieder in alle früheren Rechte und Privilegien ein, befahl die Rückgabe der Tempel und den Wiederaufbau der zerstörten Heiligtümer und tat alles, um den alten Götterkult zu neuem S. 203 Leben zu erwecken. Den Gemeindewesen, welche das Heidentum bereitwillig wieder einführten, sandte er anerkennende Schreiben und überhäufte sie mit Hulderweisen; den christustreuen und den zögernden dagegen erklärte er, sie solange zu ignorieren, sie weder zu besuchen, noch ihre Abordnungen zu empfangen, noch ihnen irgendwelche Hilfe zu leisten, bis sie nicht seine Befehle ausgeführt hätten. Als z. B. die von den Persern bedrohte Grenzstadt Nisibis, welche bis dahin infolge der Bemühungen des energischen Bischofs Abraham die proheidnischen Dekrete des Kaisers unbeachtet gelassen hatte, um Hilfe gegen die Feinde vorstellig wurde, wies er die Gesandten schroff ab und verweigerte jeden Beistand, bevor nicht die Tempel wieder geöffnet und der heidnische Opferkult wieder eingeführt wäre4, was dann auch geschehen zu sein scheint.
Die Christen mußten alle den Kirchen seit Konstantin d. Gr. geschenkten städtischen Grundstücke zurückgeben, verloren alle Privilegien und wurden aus allen irgendwie einflußreichen Ämtern und Würden verdrängt.
Um den Christen, die ihren Glauben in heidnischen Schulen nicht der Gefahr aussetzen wollten, den Weg zur Bildung abzuschneiden und damit das Christentum selbst bei den Gebildeten zu diskreditieren, verbot er ihnen, die Stellen von Rhetoren und Grammatikern zu bekleiden. Er schrieb selbst mehrere Bücher voll beißenden Spottes gegen die Christen, die er verächtlich „Galiläer“ nannte. Das Heidentum dagegen suchte er im Sinne des Neuplatonismus zu reformieren, ja er nahm sogar christliche Einrichtungen, z. B. Hierarchie. Predigt, Armenpflege herüber. Zugleich war er bestrebt, die heidnische Moral zu heben und ging selbst durch sittenreinen, ja asketischen Lebenswandel mit gutem Beispiel voran. Er verzichtete sogar, nachdem seine Gemahlin bald nach seiner Erhebung zum Augustus 360 gestorben war5, auf die Eingehung einer neuen Ehe. S. 204 Ganz besonders liebte er es, als pontifex maximus aufzutreten und unter gewissenhaftester Beobachtung der alten Zeremonien ganze Hekatomben persönlich zu opfern. Zur Verherrlichung der Neubelebung des heidnischen Opferdienstes ließ er auf der Rückseite seiner Münzen das Bild eines Opferstieres anbringen, was vielen Spott hervorrief. Als Neuplatoniker gab er sehr viel auf Magie und Wahrsagerei und bemühte sich auf alle Weise, die Zukunft zu erforschen.
Die Spaltungen unter den Christen beförderte er nach Möglichkeit; die Juden standen bei ihm in hoher Gunst.
All dies mußte Julian bei den Christen verhaßt machen; sie stigmatisierten ihn auch für alle Zeiten mit dem Beinamen παραβάτης bezw. apostata. Aber auch bei den Heiden fand er nicht überall und nicht immer die erhoffte Anerkennung und Mitwirkung. Sein Neuplatonismus mißfiel den Konservativen unter den Heiden. Seine Reformen, die manchem altehrwürdigen Schlendrian und manchem otium cum dignitate in die Quere kamen, wurden teils als überflüssig, teils als lästig, teils als verfehlt empfunden und oft mit bitterem Hohne quittiert.
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Epist, 38 ed. Hertlein, p. 536. ↩
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Epist, 13, p. 493. ↩
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Zum Nachfolgenden vgl. Ammianus 22, 5. 10. 12-14; Rufinus, Hist. eccl. I,22, MSL 21,501 s.; Socrates, Hist. eccl. III. 1.17-20, MSG 67, 368 sqq.; Sozomenos, Hist. eccl. V,1-5, 16-22, MSG 67, 1208 sqq.; Theodoret, Hist. eccl. III. 3 s., MSG 82,1092 s. ↩
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Sozomenos, Hist. Eccl. 5, 3, MSG 67, 1120 s. ↩
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Julian ließ den Leichnam seiner Gemahlin von Gallien nach Rom überführen und an der Seite ihrer beiden Schwestern Constantia und Constantina, der Gattin des Gallus, an der Via Nomentana beisetzen. Dort hatte Konstantin der Große in der Nähe der Kirche St. Agnes für seine älteste, früh verstorbene Tochter Constantia ein Mausoleum errichtet, in dem nun drei Töchter des großen Kaisers ruhten. Helena hinterließ ihrem Gatten keine Kinder; denn der Knabe, den sie ihm in Gallien geboren hatte, starb infolge eines absichtlichen Kunstfehlers der von der unfruchtbaren Kaiserin Eusebia bestochenen Hebamme. So berichtet wenigstens Ammian 16,10. — Siehe auch Koch a. a. O. S. 373 f. ↩
