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S. 63 Wie das Brot den Leib ernährt, so weckt das Wort Gottes die Seele mächtig zur Tugend, zumal dem, der leichten Sinnes das Tun der göttlichen Gebote lässig treibt. Denn wer da emsig ist und seinen Blick auf Gott gerichtet hat, den unterweist hinreichend sein Gewissen und rät ihm alles Gute an und kehrt ihn ab von allem Bösen. Wer nicht so hoch gestiegen ist, den muß der Buchstabe des Gesetzes mahnen und leiten. Doch wer den ersten wie den zweiten Weg zur Tugend von sich weist, den soll das Beispiel fremden Mühens und Sorgens, das ihm vor Augen steht, oder das durch Ohr und Rede zu ihm dringt, zu frommer Sehnsucht wecken, daß er den Schlaf der Seele von sich schüttelt und den engen und beschwerlichen Pfad betritt, der hinaufführt zum ewigen Leben. Denn bei uns steht es und in unsrer Macht liegt es, durch Sehnsucht nach dem Zukünftigen das Gegenwärtige als vergänglich zu verachten, statt nach dem Gegenwärtigen zu haschen und die ewigen Güter zu verlieren. Des sind alle die Männer Zeugen, die von der Urzeit an Gott wohlgefielen, und die in unseren Tagen als Lichter strahlten.
Deren einer war auch Symeon, von dem ich jetzt erzählen will, und mehr als viele andere ist er zu verehren, da er zu solcher Höhe der Reinheit und Leidenschaftslosigkeit emporklomm, daß er durch alles, was den Menschen als Schmutz, Gefahr und Hindernis zur Tugend gilt, in höchster Reinheit wie eine Perle durch den Schlamm unbefleckt hindurchschritt. So bitte ich denn alle, die unsere Erzählung von seinem engelgleichen Wandel hören oder lesen, mit Gottesfurcht und wahrem, unerschütterlichem Christenglauben die Worte aufzunehmen. Denn wir wissen, daß wir für die Toren und Verächter Unglaubliches und Lächerliches berichten werden, aber wer da weise sein will in dieser Welt, der muß ein Tor werden, auf daß er weise werde 1. Kor 4, 10. Wer das beherzigt, der wird das hier Erzählte mehr als andrer Männer Tugend und Wandel bewundern.
