5.
Der Ausdruck Ὁμοούσιος [homoousios] spielt in den trinitarischen Schriften Augustins keine große Rolle, wenngleich er weiß, daß er auf „Konzilien von unseren Vorfahren“ eingeführt wurde und daher ab und zu von ihm verteidigt wird.1 In der Auseinandersetzung mit dem Arianer Maximin will sich Augustinus, wie er sagt, nicht auf den Ausdruck des Konzils von Nizäa stützen. Wenn er auch von seiner inhaltlichen Richtigkeit überzeugt ist, so will er doch im Interesse einer erfolgreichen Aussprache auf das Wort verzichten.2 Im Werke De trinitate finden sich Anklänge an das Homousios, wenn der Kirchenvater das Wort consubstantialis verwendet.3 Statt homousios oder consubstantialis sagt er im allgemeinen lieber, daß die Personen unius substantiae seien oder, was ihm deutlicher S. 32 vorkommt, unius essentiae oder, was ihm noch klarer erscheint, unius naturae.4
Die göttlichen Personen kommen zustande durch die Hervorgänge, durch Zeugung und Hauchung. Es seien hier nur zwei Gedanken hervorgehoben. Augustinus beschäftigt bei der Besprechung der Zeugung die schon vor ihm viel erörterte Frage, ob die Zeugung ein ewig abgeschlossener oder ein ewig fortdauernder Akt ist. Er findet keine endgültige Lösung. Sagt man, der Sohn ist vom Vater gezeugt, redet man also von einem von Ewigkeit her abgeschlossenen natum esse, dann kann die Meinung entstehen, der Vater habe nunmehr aufgehört zu zeugen. Hat er aber aufgehört, dann muß er auch angefangen haben. Sagt man dagegen, der Sohn wird vom Vater gezeugt, so legt sich die Vermutung nahe, die Zeugung sei noch nicht zum Abschluß gekommen, sei also unvollständig.5 Die zweite Frage betrifft den Ausgang des Heiligen Geistes. Mit größter Klarheit lehrt er den Ausgang des Heiligen Geistes von Vater und Sohn. In der Erklärung und näheren Bestimmung hierüber führt er die Gedankengänge der alexandrinischen Schule und die Worte seines Landsmannes Tertullian weiter. Die von ihm gegebene Darstellung des Ausgangs des Heiligen Geistes, die durch ihn Gemeingut der abendländischen Theologie wurde, kleidet sich bei ihm in die Formel ab utroque bezw. de utroque. Das filioque findet sich bei ihm nicht. Die griechische Vorstellung drückt sich in der Formel a patre per filium aus. Anklänge an sie, die von der Schrift genährt ist, finden sich auch bei Augustinus, so wenn er sagt, daß der Heilige Geist urgrundhaft vom Vater hervorgehe, weil dieser der Urgrund der ganzen Gottheit ist.6
Von Bedeutung ist für die Beurteilung der Leistung Augustins die Tatsache, daß er die Personen als Relationen verstand.7 Das war zwar nicht vollständig neu. Schon den Kappadoziern leistete der aristotelische S. 33 Begriff der Relation kaum überschätzbare Dienste zur Aufzeigung der Selbständigkeit der Personen einerseits, der Gleichheit und Einheit andererseits. Augustinus bildete diesen Begriff auf das feinste durch und machte aus ihm ein nie versagendes Werkzeug gegen die sabellianische Verflüchtigung der Personenverschiedenheit und gegen ihre arianische Überspitzung. Zum Begriff des Vaters gehört notwendig der Begriff des Sohnes und umgekehrt. Das Verhältnis des Vaters zum Sohne ist nicht das gleiche wie jenes des Sohnes zum Vater. Denn jener ist Vater, dieser Sohn. Die Ausdrücke Vaterschaft, Sohnschaft, welche die Kappadozier verwendeten, fehlten Augustinus. Auch die dritte Person stellt eine Beziehung dar. Freilich kommt das nicht im Worte Geist zum Vorschein, sondern in der Bezeichnung Geschenk. Das Geschenk ist eben Geschenk eines Schenkenden. Augustinus versteht das nicht so, als ob der Vater den Geist an den Sohn, dieser ihn an den Vater schenken würde, sondern beide schenken ihn den Geschöpfen. Nur im Bereiche der Beziehungen besteht Dreiheit in Gott. Die göttlichen Personen sind Beziehungen, die ihrerseits wieder mit dem göttlichen Wesen zu einer Wirklichkeit zusammenfallen. Wir bezeichnen das höchste Gut als einfach, „weil es das ist, was es hat, ausgenommen das, was von jeder Person in Beziehung auf die andere ausgesagt wird“.8 Mit diesem Satz hat Augustinus den Grundsatz Anselms von Canterbury vorbereitet: In Gott herrscht Einheit, ubi non obviat aliqua relationis oppositio.9 Da die Personen Relationen sind, bedingt die Personenverschiedenheit keine Naturverschiedenheit. Die Personenbezeichnungen sagen nichts aus über das Was, sondern über das Woher der Personen.10 Einer besonderen Besprechung bedurfte das Ungezeugtsein des Vaters. Dies schien nämlich aus dem Bereich des Beziehentlichen herauszufallen und daher ein Übergewicht des Vaters gegenüber den beiden anderen Personen zu begründen. Augustinus zeigt, daß ungezeugt so viel ist wie: nicht Sohn oder nicht von einem anderen sein. Es drückt also die Ursprunglosigkeit des S. 34 Vaters aus. Wie Gezeugtsein oder das Von-einem-anderen-sein überhaupt ein beziehentlicher Begriff ist, so wird sein relativer Charakter nicht berührt durch die Voransetzung des Verneinungswortes. Im Mittelalter fand man in der Franziskanerschule, vor allem bei Bonaventura, in dem Worte ungezeugt nicht nur die Verneinung des Ursprungs des Vaters, sondern auch die Tatsache, daß der Vater die ursprunghafte Fülle ist. Man war dabei von dem aristotelischen Gedanken beherrscht, daß das Erste einer Reihe jeweils auch der Grund für alle Glieder der Reihe ist.11
Wie die Natur oder das Wesen oder die Substanz Gottes eine einzige ist, so ist auch das Tun der drei göttlichen Personen ein einziges. Vater, Sohn und Geist haben ein untrennbares Wirken, sind ein Urgrund für alles Außergöttliche, ein Schöpfer, ein Herr. Bei den griechischen Kirchenvätern wird zwar auch die Einheit im Wirken betont, aber es kommt dabei zugleich zum Ausdruck, daß jede Person wie ihr Sein in der Weise ihres Hervorgangs, so auch ihr Wirken in dieser Weise besitzt, der Vater also ursprungslos, der Sohn durch Zeugung vom Vater, der Heilige Geist durch Hauchung. Infolge der Zeitlosigkeit Gottes empfängt natürlich jede Person ihr Wirken gemäß der Ordnung ihres Seins gerade auch im Augenblick des Wirkens. Augustinus ist diese Vorstellung nicht fremd. Aber sie tritt in den Hintergrund. Während nach der griechischen Vorstellung jeder Entschluß zu einem außergöttlichen Wirken in einer geraden Linie vom Vater zum Sohne und von hier aus mit neuer Kraft zum Heiligen Geiste hineilt und von da aus wieder mit neuem Antrieb in den außergöttlichen Bereich zielt, kann man sich Augustins Anschauung so veranschaulichen: Der göttliche Lebensstrom fließt vom Vater zum Sohne, staut sich hier mit dem Leben des Sohnes zu einer neuen Lebenswelle auf. Diese fließt weiter zum Heiligen Geiste. Damit ist der göttliche Lebenskreis geschlossen. Nun bricht er an der Stelle des freien göttlichen einen und gemeinsamen Willens hinaus in die Schöpfung. Natürlich darf man das in S. 35 alle menschlichen Bilder sich einschleichende Nacheinander nicht auf Gott übertragen.12
Diese Einheit Gottes nach außen bewirkt, daß man nicht nur zu den einzelnen göttlichen Personen, sondern auch zur Dreieinigkeit als solcher in eine lebendige, religiöse Beziehung treten kann. Eine solche Beziehung ist nur möglich zu einem lebendigen, also persönlichen Gott. Wenn nun das Wesen Gottes auch nicht persönlich zu denken ist, so ist es doch eine geistige, welterhabene, als Einheit uns entgegentretende Wirklichkeit, so daß man sich an sie betend wenden kann. Wie wenig Augustins religiöses Empfinden Anstoß daran nahm, zur göttlichen Dreieinigkeit als solcher zu beten, ergibt sich daraus, daß er seine Gebete häufig an die Dreieinigkeit richtet. Vor ihm hatte schon Gregor von Nazianz zur göttlichen Trias als solcher gebetet. Daß das religiöse Verhältnis des Menschen zu dem einen Gott keine Einbuße zu erleiden braucht, wenngleich das die Einheit begründende Wesen nicht im eigentlichen Sinne persönlich ist, zeigen mit hinreichender Deutlichkeit auch die zahlreichen Hymnen des Mittelalters, die sich an die göttliche Trinitas schlechthin wenden.13
-
Epist. 238 c. 1 n. 4. ↩
-
Contra Maxim. Arian. l. II c. 14 n. 3. ↩
-
De trinitate, l. I. c. 8 n. 15; c. 6 n. 13; l. VII c. 3 n. 4; l. XV c. 14 n. 23. ↩
-
Contra serm. Arianorum c. 36. ↩
-
Epist 238 c. 4 n. 24; Schmaus, 130 f. ↩
-
De trinitate, l. XV c. 26 n. 47; l. VI c. 20 n. 29; Epist. 170 n. 4 (Ausgabe Goldbacher, CSEL 34, 3); Schmaus, 131―135. ↩
-
Schmaus, 136―144. ↩
-
De civitate Dei, l. XI c. 10 n. 1. ↩
-
De processione Spiritus sancti, c. 2. ↩
-
Epist. 17 n. 6; n. 7. ↩
-
Bonaventura, In I Sentent. dist. 282. 1. A. Stohr, Die Trinitätslehre des heiligen Bonaventura. I. Münster 1923, 124 ff. ↩
-
Régnon a. a. O., III 340―364; Schmaus, 151―159. ↩
-
Schmaus, 158 f. ↩
