2. Zum Beweise für die Erlaubtheit der Teilnahme beruft man sich darauf, dass alles, was zu den Spielen dient, von Gott geschaffen, also gut sei.
So gibt es denn nun keinen, der nicht vorschützte, alles sei, wie wir lehren, von Gott geschaffen und dem Menschen zugewiesen, mithin gut, weil von einem guten Schöpfer kommend. Dahin sei auch alles das zu rechnen, was zur Einrichtung der Spiele gehört, z. B. das Pferd, der Löwe, die Kräfte des menschlichen Körpers, sowie der Wohlklang der Stimme, Diese Dinge können weder als zu Gott in keiner Beziehung stehend noch als ihm feindlich angesehen werden, da sie nur durch sein Mitwirken bestehen; und was Gott nicht feindlich, weil nicht fremd sei, das sei auch bei den Verehrern Gottes nicht dafür zu halten, vollends dann auch nicht die S. 104Erbauung der Lokalitäten, weil die Werkstücke, der Mörtel, weil der Marmor und die Säulen Gott angehörig sind, der sie zur vollständigen Ausstattung der Erde verliehen hat. Auch die Vornahme der einzelnen Handlungen selbst geschehe unter Gottes freiem Himmel. — Wie klug erscheint doch die menschliche Unwissenheit in Sachen ihres Vorteils beim Beweisführen! Zumal dann, wenn sie etwas von ihren Ergötzlichkeiten und dem, was die Welt bietet, einzubüßen fürchtet! Man könnte am Ende mehr Leute finden, welche durch die Gefahr, die ihren Vergnügungen, als durch jene, welche ihrem Leben droht, von unsrer Genossenschaft fern gehalten werden! Denn vor dem Tode fürchtet sich als vor etwas Unausweichlichem nicht einmal der Tor, das Vergnügen dagegen verschmäht als etwas Begehrenswertes1 auch der Weise nicht, da die Lust sowohl dem Toren als dem Weisen einzig und allein das Leben angenehm macht.
Niemand leugnet und jedermann weiß, dass Gott, wie die Natur selbst bezeugt, der Schöpfer des Weltalls sei, und dass dieses All gut und dem Menschen zum Dienste überlassen sei. Aber weil man Gott nicht recht kennt, nämlich nur aus dem Naturrecht, nicht durch das Freundschaftsverhältnis, nur von fern, nicht näher, so ist es ganz natürlich, dass man nicht weiß, wie er das, was er erschaffen hat, angewendet oder nicht angewendet wissen will, und dass man ebenfalls nicht weiß, welches die Macht sei, die mit ihm feindselig wetteifert, den Gebrauch der göttlichen Schöpfung zu verkehren, da man weder von seinem Willen noch von dem der Gegner dieses Willens Gottes Kenntnis hat, welch letzteren selber man zu wenig kennt. Man muss also nicht bloß im Auge behalten, von wem alles geschaffen ist, sondern auch, von wem es verkehrt worden ist. Dann wird es sich ergeben, für welchen Gebrauch jedes Ding geschaffen worden, wenn es sich ergibt, für welchen nicht. Es ist ein großer Unterschied zwischen dem Zustand der S. 105Verderbnis und dem der Unversehrtheit, weil eben auch ein großer Unterschied zwischen dem Schöpfer und dem Verfälscher ist. Im übrigen bestehen ja die schlechten Handlungen jeder Art, auch die, welche die Heiden zweifellos verbieten und verwehren, nur durch Werke Gottes, Soll der Mord mit einem Messer, mit Gift oder durch zauberische Berückung vollbracht werden? Es gehört das Eisen so gut Gott, als die Kräuter und die Geister. Hat etwa die schaffende Vorsehung diese Dinge zum Zwecke der Ermordung von Menschen ins Dasein gerufen? Nein, dagegen hat sie jede Art des Mordes durch das eine und prinzipielle Verbot untersagt: „Du sollst nicht töten". Ferner: das Gold, das Erz, das Silber, das Holz und jeder Stoff, welchen man zur Verfertigung von Götzenbildern verwendet, wer hat ihn in die Welt gesetzt, als der Schöpfer der Welt, Gott? Aber tat er es etwa zu dem Zweck, dass diese Dinge zu Gegenständen einer gegen ihn gekehrten Anbetung gemacht würden? Im Gegenteil, in seinen Augen ist der Götzendienst die höchste Beleidigung, Welches Ding, das Gott beleidigt, ist nicht ihm angehörig? Aber indem es ihn beleidigt, hört es auf Gottes zu sein, und indem es das aufhört zu sein, beleidigt es ihn. Der Mensch selbst, der Urheber aller Schandtaten, ist nicht bloß Gottes Werk, sondern auch sein Ebenbild und dennoch dem Körper und Geiste nach von seinem Schöpfer abgefallen. Wir haben auch die Augen nicht zur Befriedigung der Begierlichkeit bekommen, die Zunge nicht zu üblen Reden, die Ohren nicht zur Aufnahme der bösen Reden, die Zunge nicht zur Sünde der Schlemmerei, den Bauch nicht zur Teilnahme daran, die Geschlechtsteile nicht zu Ausschreitungen der Unzucht, die Hände nicht zu Gewalttaten das Gehen nicht zum Umherschweifen, die Seele ist auch nicht dazu in den Körper hinein versetzt, um die Werkstätte zum Aussinnen von Nachstellung, Betrug und Ungerechtigkeit zu werden. Ich glaube das nicht. Denn wenn Gott, der immer auf Unschuld dringt, jegliche Bosheit, ja wenn er selbst die bloß beabsichtigte Bosheit in solchem Grade hasst, so steht es unzweifelhaft fest, dass er alles, was er S. 106erschaffen hat, nicht zur Vollbringung von Werken geschaffen hat, die er verdammt, obwohl eben diese Werke sich durch Dinge seiner Schöpfung vollziehen, da der ganze Grund der Verdammung der verkehrte Gebrauch der Schöpfung durch die Geschöpfe ist. Nach erlangter Erkenntnis des Herrn sehen wir also auch dessen Nebenbuhler vor Augen, bemerken nach erlangter Einsicht in betreff des Schöpfers auch zugleich den Verderber, Wir dürfen uns daher weder der Verwunderung noch dem Zweifel daran hingeben, dass die Macht jenes Verderbers und scheelsüchtigen Engels, durch welche der Mensch selbst, das Werk und Ebenbild Gottes, der Herr des ganzen Weltalls, gleich anfangs seiner Unversehrtheit entkleidet worden ist, auch dessen ganze Habe, die mit ihm zugleich in Unversehrtheit geschaffen worden war, zugleich mit ihm selbst in Verderbnis verkehrt hat gegen den Plan Gottes, und dass sie dadurch in eben dem, was zu ihrem Schmerze dem Menschen und nicht ihr zugestanden worden war, den Menschen zum Schuldner vor Gott gemacht und ihre eigene Herrschaft aufgerichtet hat.
-
Die Handschriften lesen hier tantam, was keinen Sinn gibt und offenbar falsch ist. Junius konjiziert utendam, Hartel optatam in der Ed. Vindob. ↩
