§ 2. Schriften unter dem Namen Makarius des Ägypters.
Zahlreiche Handschriften weisen Makarius dem Ägypter Werke zu. Makarius-Handschriften hat einst Harles bei Fabricius1 zusammengestellt, viele neue hat Lambros2 in den Klosterbibliotheken auf dem Athos entdeckt.
Die letzte Ausgabe der Makarius-Schriften hat H. J. Floß († 1881) besorgt. Sie findet sich abgedruckt bei Migne P. G. XXXIV, Paris 1860 und enthält Apophthegmata, vier Briefe, zwei kleine Gebete, fünfzig geistliche Homilien und die sieben Traktate (Opuscula): De custodia cordis, De perfectione in spiritu, De oratione, De patientia et discretione, De elevatione mentis, De S. 08 charitate und De libertate mentis. Diese sieben Abhandlungen sind nur eine Überarbeitung von Makarius-Homilien durch Simeon Logothetes oder Metaphrastes. Er hat in der zweiten Hälfte des zehnten Jahrhunderts „eine Sammlung von Makarius-Homilien in der Weise bearbeitet, daß er besonders ansprechende Stellen auszog und zu sieben asketischen Traktaten zusammenfaßte“3. Eine Ausnahme macht nur der zweite Traktat. In seiner ersten größeren Hälfte (n. 1—11) schöpft er nicht aus den Homilien, sondern aus der kleinen Schrift Gregors von Nyssa Περὶ τοῦ κατὰ θεὸν σκόπου [Peri tou kata theon skopou], „Über das Endziel in Gott“4. Der erste Herausgeber der Traktate, Petrus Possinus5, hat sie irrigerweise für echte Makarius-Werke gehalten. In den Handschriften selbst heißen sie Exzerpte des Logotheten. Die Herkunft der Gebete ist in Dunkel gehüllt. Von den vier Briefen wird der erste, nur in lateinischer Übersetzung erhaltene Brief Ad filios Dei6 mehrfach mit dem von Gennadius7 erwähnten Lehrschreiben des Makarius an jüngere Mönche identifiziert8. Nach C. Flemming9 läßt sich die Identität dieser beiden Schreiben „durch die stärksten Beweise“ erhärten. Er wird sie in einer nächstens erscheinenden Schrift erbringen. Durch gütige, briefliche Mitteilung bin ich in der Lage, die Hauptresultate seiner Untersuchungen hier anzuführen. Danach ist dieser Brief die lateinische Übersetzung eines griechischen Originals. Inhaltlich repräsentiert er sich als eine unlogische und zusammenhanglose Aneinanderreihung asketischer Gedanken, die sich nach Form und Inhalt wiederholen. Er ist eine Kompilation aus griechischen Apophthegmen, wie sie in ägyptischen Mönchskreisen gang und gäbe waren. Bei Amélineau10 finden sich zwei koptische Apophthegmen, von denen das eine sich mit dem Anfang, das andere mit dem Schlusse des lateinischen Briefes vollkommen deckt. Diese lose zusammengestellten Apophthegmen sind dem ägyptischen Mönchsvater Makarius zuzuschreiben. Das beweist schon das koptische Apophthegmenkorpus, das unter dem Namen Makarius des Ägypters überliefert ist. Dazu kommen noch zwei sichere historische Zeugnisse: Cassian., De coenob. V 44 und Gennad., De vir. ill. c. 10 beziehen sich auf unseren S. 09 lateinischen Brief. Gennadius, der ausdrücklich von einer „epistula“ redet, ist ohne Zweifel die schriftliche Zusammenstellung der Apophthegmen vorgelegen, Kassian dagegen denkt nur an einen mündlichen Makarius-Ausspruch. Danach ist dieser Brief in der Zeit zwischen Kassian und Gennadius, etwa um 450, aus makarianischen Apophthegmen entstanden. Der Kompilator des Briefes und der Schreiber der Homilien sind nicht identisch. Denn der Brief unterscheidet sich nach Komposition und Gedankeninhalt vom Homilienwerke.
Der zweite, wahrscheinlich an einen Abt oder Mönchsvorsteher gerichtete, umfangreiche, griechische Brief11, in dessen zweite Hälfte, wie Stiglmayr12 wahrnahm, die größere, zweite Hälfte der erwähnten Schrift Gregors von Nyssa „Über das Endziel in Gott“13 aufgenommen und verarbeitet ist14, stammt nach den Untersuchungen C. Flemmings15 vom gleichen Verfasser wie die Homilien. Der dritte Brief ist stilistisch und inhaltlich vom Homilienwerke verschieden, der vierte erweist sich als eine Kompilation des ersten und dritten Briefes16. Die unter des Ägypters Namen stehenden, von dem französischen Patristiker Jean Baptiste Cotelier († 1686)17 zum erstenmal aus dem Griechischen herausgegebenen Apophthegmen machen nach Bardenhewer18 „im großen und ganzen den Eindruck voller Zuverlässigkeit“. Sie sind wohl kein „Nachhall der Homilien“19; denn sie weichen „nach Ton und Anlage“20 und Lehrinhalt von den Homilien ab.
Die fünfzig geistlichen Homilien, ὁμιλίαι πνευματικαί [homiliai pneumatikai], Vorträge über das geistliche Leben, sind zum erstenmal von Johannes Picus21 nach Handschriften der königlichen Bibliothek in Paris 1559 unter dem Namen Makarius des Ägypters veröffentlicht worden. Im gleichen Jahre ließ Picus eine gesonderte lateinische Übersetzung der Homilien im Drucke erscheinen. An die Spitze jeder Homilie setzte er eine kurze Inhaltsangabe (argumentum)22. Auf deutschem Boden besorgte Zacharias Palthen23 1594 eine Edition der Homilien in griechischer Sprache und neuer lateinischer Übersetzung. Den Homilien sind die von Picus beigegebenen Summarien vorgedruckt. In Frankreich erfolgte eine Neuausgabe der S. 010 Homilien mit der lateinischen Übersetzung des Picus im Jahre 162224. Die den Homilien vorausgesetzten Inhaltsangaben sind viel weitschweifiger als die in den bisherigen Ausgaben. 1698 und von neuem 1714 wurden die Homilien griechisch und lateinisch von dem Leipziger Professor J. G. Pritzius herausgegeben25. In seiner Vorrede26 bemerkt er, er habe den griechischen Text des Zacharias Palthen sorgfältig revidiert und die jämmerliche, vielfach unrichtige lateinische Übersetzung korrigiert. Zugleich hat er, soweit es ihm möglich war, die in den Homilien verwendeten Schriftstellen angemerkt und den Text abgeteilt. In der Kapitelabteilung folgte er dem deutschen Übersetzer. Im Jahre 1696 hatte nämlich Gottfried Arnold eine deutsche Übersetzung der Homilien erscheinen lassen und dieselbe zur besseren Übersicht in Kapitel abgeteilt. Pritzius sagt, er würde häufig anders abgeteilt haben, wenn er freie Hand gehabt hätte. Allein er habe die griechische Textabteilung der deutschen angepaßt, um nicht eine Verwirrung bei den Lesern hervorzurufen, die den griechischen Text und die deutsche Übersetzung miteinander vergleichen. Die Summarien in der Ausgabe von Palthen behielt er bei, obwohl er überzeugt war, daß der Inhalt der Homilien viel bündiger und präziser hätte angegeben werden können27. Vermehrt und verbessert gab der Oratorianer A. Gallandi 1770 die Homilien nebst den sieben asketischen Traktaten des Metaphrasten und den Apophthegmen heraus28. H. J. Floß hat den von Gallandi veröffentlichten, vielfach korrupten Text bei Migne P. G. XXXIV Paris 1860 abdrucken lassen, ohne ihn zu verbessern. Die Aufschriften der Homilien entsprechen genau denen der Pariser Ausgabe vom Jahre 1622. Floß hat nach einer Berliner Handschrift die Homilien 529 und 5030 ergänzt. Sieben weitere Makarius-Homilien in einem Codex Barroccianus der Universitätsbibliothek in Oxford (Bodleiana) harren noch der Edition31.
Zwei Fragmente, die Floß in dem Bonner Universitätsprogramm zum 3. August 1866 unter dem Namen Makarius des Ägypters herausgab, gehören, wie Gildemeister32 nachgewiesen, einer unter den Werken Ephräms des Syrers stehenden Schrift an33.
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[Nr. 20:] Bibl. Gr. 8, Hamburg 1802, 362 ff. = Migne P. G. XXXIV 394 ff. ↩
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[Nr. 21:] Catalogue of the Greec Manuscripts on Mounts Athos, Cambridge 1895—1900, 2, 533 f. ↩
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[Nr. 22:] Bardenhewer a. a. O. S. 89. ↩
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[Nr. 23:] Stiglmayr a. a. O. S. 72. ↩
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[Nr. 24:] Thesaurus asceticus sive syntagma opusculorum XVIII a Graecis olim Patribus de re ascetica scriptorum. Parisiis 1684. ↩
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[Nr. 25:] Migne P. G. XXXIV 405—410. ↩
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[Nr. 26:] De vir. ill. c. 10. ↩
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[Nr. 27:] Bardenhewer a. a. O. S. 91. ↩
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[Nr. 28:] L. c. p. 25. ↩
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[Nr. 29:] In den Annales Musei Guimet XXV (1894), 118 sqq. hat er zuerst koptische Apophthegmen veröffentlicht. ↩
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[Nr. 30:] Migne P. G. XXXIV 409—442. ↩
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[Nr. 31:] Makarius der Große und Gregor von Nyssa: Theologie und Glaube II (1910), 571. ↩
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[Nr. 32:] Migne P. G. XLVI 288—305. ↩
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[Nr. 33:] Vgl. Migne P. G. XLVI 297 A—395 C mit P. G. XXXIV 421 C—442 A. ↩
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[Nr. 34:] L. c. p. 2—19. ↩
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[Nr. 35:] Stoffels a. a. O. S. 12. ↩
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[Nr. 36:] Eccl. Graec. Monum. I (1677), 524 sqq. = Migne P. G. XXXIV 235. 236 ff. ↩
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[Nr. 37:] A. a. O. S. 91. ↩
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[Nr. 38:] Ebd. ↩
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[Nr. 39:] Stiglmayr, Sachl. und Sprachl. b. Mak., S. 4; Flemming l. c. p. 21 sq. ↩
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[Nr. 40:] Τοῦ ὁσίου Πατρὸς Μακαρίου τοῦ Αἰγυπτίου ὁμιλίαι ν’. [Tou hosiou Patros Makariou tou Aigyptiou homiliai n’ [ν’=50]] Β. Macarii Aegyptii homiliae quinquaginta. Ex Bibliotheca regia. Parisiis MDLIX. ↩
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[Nr. 41:] Migne P. G. XXXIV 297. 298. ↩
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[Nr. 42:] S. Patris Macarii eremitae Aegyptii homiliae spirituales quinquaginta de integritate quae decet Christianos . . . ed. a M. Zacharia Palthenio Fridbergensi. Francofurti 1594. 1621. ↩
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[Nr. 43:] SS. PP. Gregorii Neocaesariensis episcopi cognomento Thaumaturgi, Macarii Aegyptii et Basilii Seleuciae Isaurii episcopi opera omnia quae reperiri potuerunt. Parisiis MDCXXII. ↩
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[Nr. 44:] Τοῦ ἁγίου Πατρὸς Μακαρίου τοῦ Αἰγυπτίου ὁμιλίαι [Tou hagiou Patros Makariou tou Aigyptiou homiliai]. Sancti Patris Macarii Aegyptii homiliae. Lipsiae 1698. 1714. ↩
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[Nr. 45:] Migne P. G. XXXIV 353. 354. ↩
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[Nr. 46:] L. c. 355. 356. ↩
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[Nr. 47:] Bibliotheca veterum Patrum antiquorumque Scriptorum ecclesiasticorum . . . cura et studio Andreae Gallandii Presbyteri Congregationis Oratorii. T. VI. Venetiis 1770. ↩
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[Nr. 48; diese Zählnr. fehlt nach „Nr. 47.....Venetiis 1770.“ in den Anm. S. XXX:] Migne P. G. XXXIV 500 D—512 D. ↩
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[Nr. 49:] L. c. 820 D—822. ↩
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[Nr. 50:] Fabricius-Harles, Bibl. Gr. 8, Hamburg 1802, 32 = Migne P. G. XXXIV 393. 394. ↩
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[Nr. 51:] Über die in Bonn entdeckten neuen Fragmente des Makarius. Elberfeld 1867. ↩
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[Nr. 52:] In dem griechischen Teil der römischen Ausgabe der Werke Ephräms 1732—1746, 1, 41 B—61 F; Bardenhewer a. a. O. S. 92. ↩
