3.
Die durch die Sünde getötete Seele bedarf des Schmerzes, der Wehklage, der Tränen, der Trauer und der Klageseufzer über die Gottlosigkeit, welche sie S. 98 verdorben und zugrunde gerichtet hat. Weil sie von Gott entfernt ist, darum wehklage, weine und seufze über sie und bringe sie so wieder in Gottes Nähe, und zwar klage mehr als eine Mutter, welcher der Tod den Sohn entriß und ins Grab warf, darüber wehklagt, daß ihr Liebling dahingeschieden ist! Ebenso trennt die Sünde den Menschen von Gott, und seine Güte betrübt sich darüber, daß sein Ebenbild, voll von Schönheit, zugrunde ging. Wenn du ein dir gehöriges Tier verlierst, so ist es dir leid; selbst wenn du es auch nur kurze Zeit in deinem Besitze gehabt hast, so betrübt dich dennoch sein Verlust. Noch vielmehr bedauert es Gott, wenn sein Ebenbild verloren ging. Eine Seele ist ja Gott viel teurer als die ganze übrige Schöpfung, Durch die Sünde aber stirbt sie, und du, o Sünder, nimmst es nicht zu Herzen! Betrübe dich doch Gottes wegen, der sich deinetwegen betrübt! Infolge der Sünde ist deine Seele tot; laß deine Tränen fließen und erwecke sie dadurch wieder von dem Tode! Bereite doch Gott diese Freude; denn er freut sich, wenn du deine Seele wieder auferweckst! Es gibt einen Vogel, welcher seine Jungen auferweckt; stirbt seine Brut weg, erweckt er sie sofort wieder zum Leben. Wenn er Junge bekommen hat, so freut er sich darüber ungemein und erstickt sie durch viele Liebkosung, so daß sie sterben. Wenn er nun sieht, daß sie tot sind, daß sie sich nicht mehr rühren und regen, so ist er darüber drei Tage lang traurig und betrübt; vor Schmerz und Leid nimmt er weder Futter 1 noch Trank zu sich, weicht aber nicht von ihrer Seite, sondern bleibt bei ihnen und bewacht sie. Dann rizt er sich den Leib auf und beträufelt sie mit seinem Blute, und nach Gottes Anordnung werden die toten Jungen wieder lebendig. Wenn nun ein Vogel seine Brut in solcher Weise vom Tode zu erwecken versteht, dann erwecke auch du, Sünder, deine durch die Sünde gestorbene Seele wieder zum Leben! Wenn nun Gott schon mit dem Pelikan Mitleid hat, so daß er dessen Junge wieder belebt, um wieviel mehr wird er erst mit deiner Seele Mitleid haben, die du nicht auferwecken S. 99 willst! Wenn der Pelikan aus Gram über seine Brut sich selbst zu töten sucht, ergreift den Schöpfer Mitleid, und er erweckt seine Jungen vom Tode. Wenn aber eine Seele durch die Gottlosigkeit stirbt und sich von Gott trennt, dann grämt sich Gott noch viel mehr über das von ihm getrennte Ebenbild.
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wörtlich: pickt nicht auf sc. Nahrung. ↩
