5.
Antwort: In Wahrheit hat allerdings in vielen das vorkommende Böse Bedenken wachgerufen und viele hervorragende Männer haben darüber sehr große Untersuchungen angestellt. Die einen wollten etwas Anfangsloses neben Gott annehmen, die anderen aber neben ihm die Materie, die sie Hyle (Stoff) nennen, daß er aus ihr das Böse geschaffen habe, noch andere aber gehen der S. 34 Frage ganz aus dem Wege, weil man bei der Behandlung derselben doch an kein Ende komme. Allein uns nötigt die Liebe zu den Freunden und die irrig blickende Gegnerschaft, gemäß unserer Schwachheit zur Gnade Gottes unsere Zuflucht zu nehmen und in die Untersuchung dieser Fragepunkte einzutreten, zumal da wir Hoffnung und Vertrauen haben auf die bereitwillige Aufmerksamkeit unserer Zuhörer, welche es möglich macht, ihnen die Wahrheit vorzutragen, und es uns erspart, die Worte eitel und für nichts aufzuwenden. Denn wir bemühen uns nicht etwa, um mit Unrecht zu siegen, sondern um mit Recht das Wahre zu lernen 1.
In dieser vorwürfigen Frage ist es nun offenbar, daß nicht zwei unerschaffene Wesen zugleich miteinander existieren können. Denn wo zwei Wesen irgend zugleich miteinander existieren, da muß etwas da sein, was dieselben voneinander trennt. Was halten sie nun von Gott? Vielleicht daß er gleichsam örtlich überall in der Materie sei, oder etwa bloß in einem Teile derselben? Wollten sie sagen, daß Gott ganz in aller Materie sei, so können sie Gott noch so groß denken, die Materie erweist sich doch größer als er. Denn wenn jemand in einem andern ist, so ist das, in dem (das andere) ist, größer als das, was in ihm ist 2, denn es war fähig, ihn ganz zu umfassen. Wenn er nur in einem Teile von ihr war, so erweist sich auch dann die Materie tausendmal größer, weil schon ein kleiner Teil von ihr ihn ganz aufzunehmen vermochte. Und wenn er nicht in ihr ist und auch nicht in einem Teile von ihr, dann ist offenbar, daß etwas anderes als Zwischenraum zwischen beiden ist, größer als beide. Und nicht nur zwei anfangslose Wesen finden sich dann, sondern drei: Gott und die Materie und der Zwischenraum, dabei ist der Zwischenraum insbesondere größer als beide 3.
S. 35 War aber jemals die Materie ungeschmückt, eigenschaftslos und gestaltlos und hat sie Gott geschmückt, weil er sie aus dem niedrigen Zustand in den besseren erheben wollte, da gab es also eine Zeit, während welcher Gott im Ungeschmückten, Eigenschaftslosen und Gestaltlosen sich befand, und er und die Materie mußten in chaotischem Durcheinander schweben.
Und wenn Gott, wie sie sagen, in der ganzen Materie war, worin konnte er, als er sie zur Ordnung, Beeigenschaftung und Gestaltung emporführte, sich selbst einschließen, da er doch allezeit unumschließbar ist. Hat er sich etwa selbst mit der Materie zur Ordnung, Beeigenschaftung und Gestaltung erhoben, da ja nirgends ein Ort war, sich abzuschließen. Das (anzunehmen) wäre doch die größte Ruchlosigkeit.
Wollten sie jedoch ferner sagen, daß die Materie in Gott war, so müßte man in gleicher Weise fragen, ob als etwas von ihm Getrenntes 4, wie die Tiere in der Luft, die in ihr sind und doch von ihr getrennt sind, ob wie in einem Orte, gleichwie das Wasser auf der Erde.
Von der Materie behaupten sie, daß sie unbestimmt, ungeordnet, eigenschaftslos und böse war. Wenn es sich ihrer Ansicht nach verhielte, so wäre Gott der Ort des Bösen, denn das Wirre und Ungeordnete wäre in ihm. Es ist aber eine unerträgliche Gottlosigkeit, von Gott zu meinen, daß er jemals das Böse als seinen Gast aufgenommen hätte und noch der Schöpfer des Bösen wäre. Ja auch für teilbar müßte man ihn noch halten, weil es örtlich in ihm war.
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Nahapetean a. a. O. S. 283 schlägt dafür die Lesung des Faktitivums vor: zu lehren. (Vd). ↩
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Vgl. hierzu Irenäus adv. haer. II c. i. Deutsch n. Klebba, Kempten 1912, I, S. 96. ↩
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A. a. O. S. 96 f. Vgl. hierzu Weber, Katholik, 1898, S. 312. ↩
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E. liest statt zat intsch: zatisch Trenner? also: ob als ein Trenner. ↩
