6.
Es ist hier notwendig, zu den Ursachen des Übels zu kommen und zu zeigen, sowohl, woher die Übel kommen, als auch, daß Gott nicht die Ursache des Übels ist, und zwar gerade damit, daß sie ihm die Materie zur Seite setzen.
Was für eine Materie denn stellen sie für Gott bereit? Nicht etwa jene, aus welcher er die Welt gemacht S. 36 hat, die gestaltlos, ungeordnet und roh gefügt war? Denn wir sehen die Welt in mannigfaltigen Gestalten, Ordnungsweisen und Zierden. Also wäre Gott der Schöpfer der Gestalten, Ordnungsweisen und Zieraten, nicht aber des Wesens. Gehört es nun aber zum Werk Gottes, die Wesenheiten zu schaffen und nicht allein die Zieraten und die Ordnungsweisen und Gestalten, so erhellt, daß es ganz überflüssig ist, zu meinen, daß Gott aus einer ihm vorliegenden Materie die Welt erschaffen habe, sondern, (daß festzuhalten ist, daß er sie schuf) aus dem Nichts und dem Nichtseienden.
Wir sehen, daß auch die Menschen aus nichts etwas hervorbringen. So z. B. bauen die Baumeister nicht aus Städten Städte und nicht aus Tempeln Tempel, da diese nicht imstande sind, etwas überhaupt aus nichts zu machen, so nennen sie doch die Steine, die sie zu Bauten zusammenfügen, nicht auch wieder Steine, sondern Städte und Tempel. Denn nicht ein Werk der Natur sind 1 die Städte oder Tempel, sondern der Kunst, die in der Natur ist. Und die Kunst nimmt nicht nach irgend etwas (in der Natur) Vorhandenen die Kunstfertigkeit, sondern nach den Eigenschaften, welche an den Naturen vorkommen. Denn das für sich Bestehende kann nicht am Fürsichbestehenden (als solchem) die Kunst zeigen, sondern an den Eigenschaften, welche eintreffen. So zeigt in der Schlosserei der Schlosser (seine Kunst) und in der Tischlerei der Tischler. Denn der Mensch ist vor der Kunst 2. Aber die Kunst wäre nicht, wenn nicht der Mensch wäre. So muß man sagen, daß im Menschen die Kunst aus nichts bereitet ist. Wenn sich das beim Menschen so verhält, wieviel mehr ziemt es sich, von Gott zu denken, daß er nicht allein der Schöpfer von Eigenschaften und Ordnungsweisen und Gestaltungen ist, sondern daß er die Kraft besitzt, die Naturen selbst aus nichts zu schaffen und nicht bloß Beschaffenheiten der Materie, indem Gott aus dieser das Gute auf die eine Seite ausschied und das Böse in wirrer Mischung auf die andere, weshalb dann das Wirrvermischte das Reine zu trüben sucht.
