3.
A. Auf’s Beste also glaube ich so mich umgesehen und gethan zu haben. Denn nichts Anderes als Dieß zu denken und auf der Zunge zu haben, sondern vielmehr dem Urtheile und den Reden, die durch den heiligen Geist erdacht sind, zu folgen, Das möchte ich, wisse es wohl, über Alles schätzen.
B. Du hast Recht. Aber du wirst die Gegner nicht überreden, das Gleiche wie du denken zu wollen. Denn wie heerdescheue und wilde Kälber laufen sie keck dahin nach ihrem Gutdünken, und gleichsam die beste und in der That ganz schöne Weide bei Seite lassend streben sie nach Dornen und Stacheln, indem sie die Reden unverständiger Irrlehrer abweiden, über welche vielleicht auch das Wort der S. 53 Weisheit selbst geweint hat. Denn es heißt:1 „O ihr, die ihr die geraden Wege verlassen habt, um auf Wegen der Finsterniß zu wandeln, die ihr am Bösen euch ergötzet und euch freuet an böser Verkehrung, deren Pfade krumm und deren Gleise gebogen sind!“
A. Du hast Recht. Es geziemte sich wohl auch, sie sehr zu beklagen, indem wir mit dem Propheten Jeremias sagen:2 „Wer wird meinem Haupte Wasser geben und meinen Augen einen Thränenquell, und ich werde dieses Volk beweinen Tag und Nacht?" Denn wer, da es ihm doch frei stand, die Erkenntniß der Wahrheit zu erwählen, unverständiger Weise auswich zu Trug und Verderbniß und zu unheiligen Irrlehren, wie sollte Der nicht im Übrigen beweinenswerth sein? „Sie sind zwar von uns ausgegangen,“ wie Einer von den heiligen Jüngern des Heilandes im Briefe geschrieben hat,3 „aber sie waren nicht aus uns. Denn wenn sie aus uns gewesen wären, wären sie bei uns geblieben.“ Worin nun aber belieben sie auch den so richtigen und höchst genauen und keinerlei Berichtigung bedürftigen Glauben oder das Bekenntniß des Glaubens zu tadeln?
B. Ja, sagen sie, wir werden nämlich mit Recht den Ausdruck „wesensgleich“ (homousios) tadeln, indem wir behaupten, er sei neutönend und ungeschrieben, das heißt nicht in den heiligen Schriften enthalten.
A. Höchst unverständig wohl möchten sie Dieses sagen, o Freund! Denn der Ausdruck ist durchaus nicht anstößig, wofern überhaupt wahr ist, was durch ihn bezeichnet wird. Oder wirst du nicht auch selbst zugeben, daß es wahr ist, was ich sage?
B. Allerdings.
A. Siehe also zu, ob wir nicht auch andere dergleichen Ausdrücke der Natur Gottes bisweilen zuzueignen S. 54 pflegen, die gleichwohl den heiligen und göttlichen Schriften unbekannt sind!
B. Welche meinst du denn?
A. Wird wohl, wenn Einer Gott unkörperlich und gestaltlos, ohne Quantität und Größe nennt, seine Rede über das Richtige hinausgehen? Wenn er ihn aber auch unbegrenzt und unbeherrscht nennt, wird wohl Jemand meinen, er sage Nichts von dem Nothwendigen, da er gleichwohl das Wahre meint?
B. In der That, Das wäre doch wohl eine Albernheit.
A. Was also brauchten sie vielmehr mit vorschneller Keckheit auf knabenhafte Weise das „wesensgleich“ zu tadeln, indem sie das Fremde und Ungewohnte des so bezeichnenden und philosophischen Ausdruckes bemängeln, da ja doch die Sache wahr ist und auch zugestanden von Denen wenigstens, welche die göttlichen Dinge genau verstehen und unterwiesen sind in den Geheimnissen; denn der für uns aus der Wesenheit Gottes des Vaters selbst stammende Sohn wird doch nicht von anderer Natur sein, wie sie meinen, noch auch fremd dem Erzeuger, sondern wesensgleich mit ihm, von gleicher Beschaffenheit und Natur. Denn ich werde mich keineswegs schämen, jeden Ausdruck zu gebrauchen, der zur Bezeichnung Dessen, was richtig und wahr ist, dient. Denn zwar über Gattung und Art bildenden Unterschied ist Gott durchaus erhaben; allein wenn wir Das abweisen wollten, wodurch Jemand doch wohl zu einer wenn auch geringen Erkenntniß der über Alles erhabenen Wesenheit geführt werden dürfte, so werden wir dadurch ungläubig und unwissend sein, von nirgends her unterwiesen, wer der wesentliche und wahrhaftige Gott ist, sondern „gleichsam den Wellen preisgegeben und umhergetrieben von jedem Winde,“ wie geschrieben steht.4 Wenn wir es aber scheuen und zurückweisen, und zwar überhaupts, wenigstens S. 55 „im Spiegel und Räthsel zu schauen und theilweise zu erkennen,“5 dann werden wir doch wohl alle tauben und empfindungslosen Steinen gleich sein, „eine unnütze Last des Erdbodens,“ wie Einer der griechischen Dichter gesagt hat.
B. Aber wo denn, sagen sie, nennt die Schrift das „wesensgleich“?
A. Daß wir zur nämlichen Rede zurückkehren, verlangst du, mein Bester! Denn wo nennt sie den Gott des Alls unkörperlich und gestaltlos und unbegrenzt und unbeherrscht? Aber er ist Dieß seiner Natur nach, auch wenn Jene es nicht wollten. Wenn wir also richtig denken wollen, so dürfen wir ja doch nicht die zur Erkenntniß der Wahrheit führenden Bezeichnungen verwerfen. Oder sollten sie denn etwa nicht glauben, daß Gott nicht gelogen habe, wenn er zu dem ehrwürdigen Moses sagte:6 „Ich bin der Seiende.“ Denn „Dieß ist mein Name,“ sprach er, „und mein Merkmal auf ewig von Geschlecht zu Geschlecht.“ Aber ich meine ja doch, sie sollten nicht so weit in der Bornirtheit gekommen sein, daß sie sogar zu denken wagten, daß Gott nicht der Seiende sei. Denn seiend ist er in Wahrheit, und so zu heissen geziemt sich für ihn und für ihn allein im höchsten und eigentlichen Sinne, wenn auch auf Anderes vielleicht im uneigentlichen Sinne der Name übergeht. Hieraus aber, sagen wir, sei auch der Name „Wesenheit“ ( οὐσία [ousia] — Seinsheit) von den Alten gebildet worden, und mit vollem Rechte, so daß, wenn auch Jemand den Sohn als ebenbürtig und wesensgleich (seinsgleich) mit dem Vater bezeichnet, wir von ihm nicht denken werden, er habe gleichsam in der Namengebung eine ungewohnte Neuerung eingeführt, sondern er wird sich dieses Ausdruckes bedienen als eines solchen, der in der heiligen Schrift wenigstens so zu sagen die ersten Sitze einnimmt. Denn die abgeleiteten Namen haben ihren Stamm durchaus S. 56 nicht in sich selbst, nach eigener Satzung, sondern entspringen gleichsam aus ihrer Wurzel auch in den Anfängen. Wenn sie also behaupten, das „wesensgleich“ sei ausser Übung und dem heiligen Sprachgebrauch, so sind sie gewiß ungerecht gegen die rechtmäßige Art der Namensableitung. Denn aus dem Seienden stammt Seinsheit (Wesenheit) und seinsgleich (wesensgleich). Indem sie aber so sehr unwissend sind, heben sie zugleich mit diesem Ausdrucke auch die anderen auf, durch welche es uns möglich sein dürfte, wenigstens doch im Spiegel und Räthsel zu sehen und schwache Vorstellungen von der Gottheit in den Geist aufzunehmen.
B. Wie nun, wenn sie zwar nicht, der Sohn sei dem Vater wesensgleich, wohl aber sagen würden, er sei ihm wesensähnlich?
