6.
Der heilige Jacobus, der Bischof von Nisibis, starb 1 S. 9 bald nach diesem Ereigniss, ein Mann vollendet in allen Tugenden und in allen Werken der Gerechtigkeit, in der er Gott diente. Sein Tod betrübte den h. Ephraem, den Clerus und alle Gläubigen gar sehr, und Ephraem begrub den h. Jacobus mit aller ihm gebührenden Ehre. - Um dieselbe Zeit starb auch der Sohn des Kaisers Constantin, der sein Nachfolger gewesen war. Jetzt trat die Bosheit des frevelhaften, gottlosen Julianus, der weder Himmel noch Erde scheute, hervor und peinigte das ganze Volk der Christenheit. Alle Kirchen zerstörte der Gottlose, so lange er Kaiser war; denn er war ein Heide, setzte eine grosse Verfolgung wider alle Gläubigen an, liess Götzenbilder aufrichten und richtete den heidnischen Cultus ein, mit einem Worte, er war vollkommen in aller Gottlosigkeit des Heidenthums. Als er aber nach Persien hinabzog, da empfing er den Lohn für seine Ruchlosigkeit; denn er wurde mit einem Schlage, der vom Himmel hergesandt worden, bestraft; von heftigen Blitzesschlägen wurde er getroffen, er war rettungslos verloren; eben, als er Jesum und seine Gottheit schmähte, hauchte er seine Seele aus. Bald erfüllte die Nachricht von seinem Tode die Erde, und die Christen waren aller Orten hocherfreut. Da wickelte denn der gläubige Kaiser Jovinianus, der nach dem Erbgesetz als Kaiser folgte, den Leichnam des Gottlosen in Leinwand und nahm ihn mit nach Nisibis. Dann aber machte Jovinianus Frieden mit dem Perserkönige. Jetzt blieb Ephraem noch so lange in Nisibis, bis die Stadt unter die Herrschaft der Perser kam, dann aber zog er fort und liess sich auf Römischem Gebiete nieder.
Er war aber in einem Alter von 28 2 Jahren von einem der heiligen Väter getauft worden.3 - Von hier zog er nach S. 10 der Stadt Amida, hielt sich aber nur kurze Zeit hier auf und ging dann nach Edessa in Mesopotamien. Als er diese Stadt aus der Ferne sah und das Kloster, welches dicht dabei lag, erblickte, da entstand in ihm der lebendige Wunsch, hier sein Lebelang zu wohnen. Er ging in die Stadt und trat an den Fluss,4 der die Stadt bespülte, siehe da erblickte er Weiber, die ihre Kleider wuschen, und die Eine hob ihre Augen auf, heftete sie fest auf den heiligen Ephraem und betrachtete ihn ohne Scheu. Da wurde er unwillig über sie und sprach: „Weib, schämst du dich nicht? Blicke zur Erde und betrachte mich nicht so schamlos.“ Da antwortete das Weib und sprach: „O Mann, für dich ziemt es sich, zur Erde zu blicken; denn von ihr bist du ja zuerst genommen; für mich aber ist es nicht unpassend, wenn ich dich betrachte; von dir bin ich ja zuerst genommen.“ 5 Als der heilige Ephraem die Rede des Weibes hörte, bewunderte er sie in seinem Herzen und sprach bei sich selber: Wenn die Weiber dieser Stadt so weise sind, um wie viel weiser müssen dann die Männer sein!
Er ging nun in die Stadt und beschloss hier irgend eine Handthierung zu ergreifen und zu arbeiten, damit er sich von seiner Hände Arbeit den Unterhalt verdiene, und S. 11 da er eine Kunst nicht erlernt hatte, die ihm hätte seinen Lebensunterhalt einbringen können, so ging er zu einem Bademeister und arbeitete bei ihm eine Zeit lang.
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S. die die Abhandlung. ↩
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Die syrischen Maroniten und Melchiten (in ihrem Menologium unter dem Datum des 18. Januar) setzen das 18te Lebensjahr Ephraem's als das Jahr seiner Taufe. Es heisst da: „Ephraem folgte dem h. Jacobus nach Nicaea und liess sich nach dem Tode seines Meisters im 18ten Lebensjahre taufen.“ Vergl. die Abhandl. ↩
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Das Synaxarium Copticum sagt, Ephraem ist von dem h. Jacobus, ehe beide zum Concil nach Nicaea gingen, zu Nisibis getauft worden. ↩
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Der Fluss Daison ist gemeint, von dem auch der berühmte (.s. unten) Bardaison (Sohn des Daison) seinen Namen hat. ↩
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Gregor Nyssenus, der sicherste Gewährsmann dem Alter nach, erzählt dieselbe Geschichte; ebenso die Armenier Men. 18 Jan. und Sozom. lib. 3, c. 16, der sogar hinzufügt, dass Ephraem über diese Begebenheit eine treffliche Schrift verfasst, habe. Diese Schrift ist nicht mehr vorhanden, wir finden sie auch sonst nirgends erwähnt Die Maroniten in ihrem Synaxarium, ebenso Metaphrastes und die Armenier (im Menologium unter dem Datum des 18. Januar, wo wir eine kurze Biographie Ephraem's finden) theilen noch eine andre Geschichte derart mit: „Ephraem trat in sein Wohnhaus zu Edessa; in demselben Hause sah ein Weib zum Fenster hinaus, die den Heiligen, als sie ihn erblickte, um seinen Segen bat. Ephraem sprach: “Es segne dich Gott.„ Da fragte ihn das Weib: “Bedarfst du etwas, mein Vater?„ “Ja,„ entgegnete Ephraem, “dreier Ziegel und einiges Mörtels, womit ich dein Fenster vermauern will."" ↩
