5.
Wodurch weiter der Unterricht der Lehre unseres Herrn dem Weine gleich ist, will1 ich sagen. Wenn es sich für einen armen Mann, der niedersitzt im königlichen Palaste,2 trifft, vom königlichen Weine zu trinken und berauscht zu werden, alsdann vergißt er das Haus seiner Armut. Und seine Füße, die ihn dürstend in den königlichen Palast trugen: sobald er eintritt, vom königlichen Weine trinkt, nicht verstehen seine Füße, ihn von dort fort in das Haus seiner Armut zu bringen, weil er Wein getrunken hat und trunken geworden ist. So auch wir, wann wir zur Kirche unseres Herrn gerufen werden und von seiner dortigen Lehre trinken, und sie eintritt, sich mit unserem Sinne und unseren Gedanken vermischt, vergessen alsdann unseren früheren Aufenthalt3 und nicht sind unsere Füße imstande,4 uns in die Wohnung unseres Götzendienstes [zurück] zu bringen und auf den Weg, auf dem wir aus dem Heidentume da gekommen sind, und wir kehren auch nicht wieder zu ihm zurück, da er für unseren Sinn wegen [des] Weintrinkens5 in Vergessenheit geraten ist.
Und dann, daß unser Herr sagt: „Wer dir einen Schlag auf deine Wange versetzt, dem biete du auch die andere dar, und wer dir dein Wams fortnimmt, dem gib dein Hemd; wer immer etwas von dir begehrt, versag [es] ihm nicht, und wer irgend etwas von dem deinigen nimmt, nicht fordere du es von ihm [zurück]“,6 dies alles vermögen Trunkene zu tun.7 Denn wenn S. 15 wir trinken, berauscht werden und untertauchen in dem Unterricht der Lehre unseres Herrn, dann vermögen auch wir dies alles zu tun. Denn den Trunkenen schlagen sie, und er lacht darüber,8 er verhert, und er sucht nicht; sie entreißen, nehmen fort irgend etwas, was er hat, und er merkts nicht; sie verlachen ihn, er beachtet es gar nicht. So auch wir, wann wir den Unterricht der Lehre unseres Herrn trinken, die9 da selbst Fröhlichmacher ist, und durch sie trunken werden, vermögen alsdann, alles dies zu tun, was wir gehört haben. Wenn die götzendienerischen Heiden uns verlachen und höhnisch verspotten werden,10 jene, die ledig, entblößt und beraubt sind dieses Weines, den wir getrunken haben: für nichts erachten wir unserer Trunkenheit wegen ihr Gespött; und wenn sie uns in etwas verleumden, so liegt uns gar nichts daran, Haß und Groll hegen wir nimmer. Auch die schlimmen Leiden vermag der Wein vergessen zu machen; denn wenn einer zum Tode verurteilt ist, und sie ihn wegnehmen, um ihn zu töten, geben sie ihm Wein zu trinken, damit er furchtlos und kummerfrei sei;11 so auch werden die Gläubigen, wann sie den Unterricht der Lehre unseres Herrn trinken, trunken; wird ein solcher des Todes in den Augen der Richter schuldig, so stirbt er furchtlos, und für nichts erachten sie den Schrecken und die Furcht vor den Richtern, weil sie von dem Unterricht der Lehre unseres Herrn getrunken haben. Deshalb ist der Unterricht der Lehre unseres Herrn dem Weine verglichen worden.
Wiederum ist der Unterricht der Lehre unseres Herrn Kleidern verglichen worden. Wenn es wirklich wahr für uns ist, daß unser Herr seine Lehre wirklich Kleider genannt hat, so werden wir erkennen,12 daß Moses längst vorher hingewiesen hat13 auf das Tuch der Kleider in Gleichnissen von Beispielen der Geheimnisse14 dieser neuen Lehre. Es machte Moses dem Aaron und S. 16 dessen Söhnen Schultertücher15 und Unterkleider und Gürtel und verschiedene neue Kleidungsstücke.16 Und er führte und stellte sie vor Gott, daß sie ihm wohlgefällig seien. Als die Söhne Aarons die Gesetze übertraten, ging Feuer vom Angesichte Gottes aus und verzehrte sie.17 Und Moses sagte zu ihrer Verwandtschaft: „Kommt heran und nehmt und schafft jene fort außerhalb des Lagers.“ Und zu Aaron, Eleazar, Ithamar sprach Moses: „Weint nicht, daß ihr die Kleider der Heiligkeit, die ihr anhabt, nicht verunreinigt“.18 Und deswegen hat auch unser Herr seine Lehre mit Kleidern verglichen. Und so ist die wahre Lehre unseres Herrn neuen Kleidern und einem ehrenvollen und heiligen Kleide verglichen worden. Denn jedem Menschen, der das Kleid der Ehre angezogen hat, wird Ruhm und Ehre und ein hervorragender19 Platz zuteil; wegen seines äußerlichen Kleides haben sie Ehrfurcht vor ihm, und seine Hausgenossen ehren ihn, und gewalttätige Herren, die Diener und Arbeiter zu einem Werke der Beleidigung20 treiben,21 nähern sich jenem nicht wegen der Ehre seiner Kleider. So auch wir: weil wir den Unterricht der Lehre angezogen haben, erfreuen sich die Apostel an uns, und die Engel des Himmels ehren und preisen uns, die Scharen der Dämonen fliehen vor uns, und die Leidenschaften sind uns Untertan.
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werde. ↩
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wörtlich: Im Hause des Königtums (Königreichs)". ↩
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Wohnung, Lebensweise. ↩
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"und nicht kennen (verstehen) unsere Füße". ↩
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"des Trinkens von Wein"; man sollte bei ginoy den Artikel erwarten, da der Wein ja ein ganz bestimmter, nämlich der Wein der Lehre unsers Herrn, ist. ↩
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Lk 6,29 f.; Mt 5,39 f. ↩
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Ephräm (Moes. 69f.) scheint diese Ausführungen gekannt, aber umgedeutet zu haben; da sie viel gesuchter sind, als die unseres Schriftstellers, dürfte diesem die Priorität gebühren. Ich sage: „scheint gekannt zu haben“, denn Ephräm kann ebensogut: „omnis homo bonum vinum prius apponit, deinde leve“ (Moes. 65) im Auge gehabt haben. ↩
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Wörtlich „tut ein Gelächter“. ↩
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Oder: der. ↩
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Wörtlich: „zum Spott und Gelächter der Verhöhnung machen“. ↩
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Vgl. den Myrrhenwein, der Jesus bei seiner Kreuzigung dargereicht wurde, ↩
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Das Armen. hat gitasee „wird (soll) er wissen (erkennen)“, was zwar nicht unmöglich, aber hart ist. Im Syr. ist die 3. pers. sing. impf. = 1. pers. plur. impf. ((xxx)). ↩
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(xxx) ... (xxx) ist ein deutlicher Semitismus, der im Syr. recht häufig auftritt (vgl. Nö 2 § 337 b). ↩
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Gedanken. ↩
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Ephods. ↩
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Vgl. Lev 8. ↩
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Vgl. Lev 10,1 ff. ↩
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Sehr auffallendes Zitat! Vgl. Lev 10,6f. „Weinet nicht“ ist inhaltliche Wiedergabe des „Capita vestra nolite nudere et vestimenta nolite scindere“. Der Text fährt fort: „ne forte moriamini“. Da es aber heißt: „fratres vestri ... plangant ... vos autem non egrediemini ... alioquin peribitis; oleum quippe sanctae unctionis est super vos“, könnte angenommen werden, daß der Verfasser aus „vos autem“ gefolgert hat „non egrediemini“ ad plangendum, ne inquinetis vestitum vestrum, sanctificatum unguento et sanguine (8,31 und 30), sanctificatum oleo sanctae unetionis (10, 7). Mit dem plangere war ja ein scindere vestimenta für gewöhnlich verbunden. ↩
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großer ↩
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d.i. zu einem beleidigenden entehrenden Werke. ↩
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„erniedrigen, mißbrauchen“ entspricht wohl dem Sinne. ↩
