2.
Jedenfalls trat Origenes, den Hieronymus (Ep. 84,8 ad Pamm. et Ocean., p. 130 ed. Hilberg) tobend „einen großen Mann von Kindheit an“ nennt, als Jüngling von siebzehn Jahren wohlvorbereitet in das Leben ein. Als er nun, wie er selbst in einer verlorenen Schrift mitteilt (Euseb. VI 3,1), den philologischen Studien weiter oblag und niemand in Alexandria sich der Katechese widmete, weil alle Lehrer wegen der drohenden Verfolgung geflüchtet waren — auch Klemens hatte die Schule verlassen —, da kamen einige Heiden zu ihm, um das Wort Gottes zu hören und in der christlichen S. 17 Lehre unterrichtet zu werden. Der erste dieser Schüler war Plutarch, der nach einem tugendsamen Leben mit der Märtyrerkrone geschmückt wurde, der zweite war Heraklas, der Bruder des Plutarch, der ebenfalls ein sittenstrenges und asketisches Leben führte, Lehrer an der Katechetenschule und später nach dem Tode des Demetrius (i. J. 231) Bischof von Alexandria wurde (Euseb, VI 29,4). Da die Christenverfolgung unter dem Statthalter Aquila, dem Nachfolger des Lätus, noch fortdauerte, so hielt es Origenes neben seiner Unterrichtstätigkeit für seine vornehmste Pflicht, die Märtyrer im Gefängnis aufzusuchen und beim Gang zum Tode mit dem christlichen Bruderkuß zu trösten und aufzurichten1. Er setzte sich dabei oft selbst der Todesgefahr aus und wäre einmal bei Begrüßung der Märtyrer von den umherziehenden Heiden beinahe gesteinigt worden. Vielleicht gehört hierher auch die von Epiphanias (Haer. 64,1) überlieferte Erzählung, daß Origenes einmal gezwungen worden sei, auf den Stufen des Serapistempels stehend, Palmenzweige an die herantretenden Heiden auszuteilen. Er habe dies getan, aber die Worte dabei gesprochen: „Nehmet hin, nicht die Palme des Götzen, sondern die Palme Christi!" Auch die Schüler des Origenes wurden bedroht, ja, die wütende Volksmenge belagerte mit Aufgebot von Soldaten das Haus, wo er Unterricht hielt, so daß er, um nicht ergriffen zu werden, seine Wohnung täglich wechseln musste2. Da nun die Erfolge seiner privaten Lehrtätigkeit groß und offenkundig waren, so wurde er, erst achtzehn Jahre alt, im Jahre 202/03 von dem Bischof Demetrius zu einer Stellung berufen, die reiches Wissen, große Erfahrung und viel Unterrichtsgeschick voraussetzte, nämlich zur S. 18 Leitung der Katechetenschule in Alexandria3. Diese berühmte christliche Schule war früher von Pantänus, dann von Klemens geleitet worden; ihre Grandlage und Voraussetzung bildete die in Alexandria eifrig betriebene jüdisch-hellenistische Wissenschaft. Denn hier wurde, wie die Werke des Klemens und Origenes zeigen, der Versuch gemacht, die tiefsten Spekulationen jüdischer Gelehrter, wie Philo, und griechischer Philosophen, wie Plato, mit christlichem Geiste in der Weise zu einer Einheit zusammenzuschließen, daß der Schüler durch die Vorstufe der griechischen Philosophie und der meist allegorischen Auslegung des Alten Testamentes zu der Logoslehre fortschritt, mit der eine Erkenntnis der Gottheit, wie man glaubte, am besten erreicht werden konnte. So wurden dort einerseits Judentum und Häresie wirksam bekämpft und überwunden, und andererseits die höchsten und erhabensten Gedanken griechischer Philosophen der christlichen Lehre dienstbar gemacht und profane Methoden für eine wissenschaftliche Auslegung der heiligen Schriften verwendet. Allerdings hat Origenes in dieser Lehrtätigkeit, wie Bardenhewer (Gesch. der altkirchl. Lit. II2 S. 103) richtig bemerkt, die Gnosis auf Kosten der Pistis überschätzt. Da nun in der unteren Abteilung dieser Schule die einzelnen Lehren der griechischen Philosophie vorgetragen und beurteilt wurden, so konnten an diesen Vorträgen auch Nichtchristen teilnehmen; in die obere Abteilung wurden aber nur Christen zugelassen, da hier die Auslegung der heiligen Schriften und die Einprägung der christlichen Glaubenswahrheiten den Lehrstoff bildeten. Die Schule wurde da gehalten, wo ihr Leiter wohnte; die Vorträge waren unentgeltlich, aber wer von den Zuhörern dazu imstande war, brachte freiwillige Gaben mit Von Origenes berichtet nun Eusebius (VI 3,8 ff.), daß er, zur Leitung der Schule berufen, die S. 19 Unterweisung in den griechischen Elementarwissenschaften als unnütz und den heiligen Wissenschaften zuwider abgetrennt und nur die obere, christliche Abteilung der Schule fortgeführt habe. Im Gegensatze hierzu betont aber Eusebius an einer späteren Stelle (VI 18), Origenes habe nicht nur gebildete Griechen in der griechischen Philosophie und der christlichen Lehre unterrichtet, sondern auch viele ungebildete Leute in die Elementarwissenschaften eingeführt, da ihm diese als wichtig für die Erkenntnis der heiligen Schriften erschienen wären. So habe er auch seine eigenen philosophischen Studien fortgesetzt, und das Urteil des Porphyrius (bei Euseb. VI 19,7 f.) sei ganz richtig, daß er sich immer mit Plato beschäftigt und die Schriften der Philosophen Numenius, Kronius, Apollophanes, Longinus, Moderatus, Nikomachus, der Stoiker Chäremon und Cornutus und hervorragender Pythagoreer eifrig gelesen habe4. Hierzu stimmt auch ein von Eusebius (VI 19,12-14) mitgeteiltes Bruchstück eines Briefes von Origenes, worin dieser erklärt, er habe die Ansichten der Häretiker und der griechischen Philosophen nach dem Vorbild des Pantänus und auch des Heraklas geprüft, der sich schon fünf Jahre, bevor er, Origenes, damit begonnen habe, mit den philosophischen Wissenschaften beschäftigt hätte und dies auch noch fortsetze.
-
In späteren Jahren hat sich Origenes wohl jener Zeit erinnert, wenn er In Jud. hom. IX 1 (VII 518,15 Baehrens) sagt:„In oculis nostris saepe vidimus factum mulieres et virgines primae adhuc aetatis pro martyrio tyrannica pertulisse tormenta, quibus ad infirmitatem sexus novellae adhuc vitae fragilitas addebatur.„ ↩
-
Vgl. den Ausdruck "fugere de loco ad locum“ In Jud. hom. IX 1 (VII 519,6 Baehrens). ↩
-
Vgl. über diese Schule: A. Harnack, „Alexandrinische Katechetenschule„, in der RE für prot. TheoL und Kirche3 I 356 ff.; W. Bousset, „Jüdisch-christl. Schulbetrieb in Alexandria“, Göttingen 1915 (Forsch. zur Rel. u. Lit. des A.T. u. N.T., 6. Heft); Herm. Rob. Nelz, „Die theol. Schulen der morgenländ. Kirchen", In. Diss., Bonn 1916, S. 28-44. ↩
-
Vgl. die von mir aus c. Cels. gesammelten Stellen Orig. I Einl. S. XXIV ff., besonders c Gels. V 57 (II 60,8 ff.). ↩
