IV.
Ich nehme mich deines Lobpreises an, damit ich von dir Hilfe erlange; denn ich liebe deine Liebe, welche den sich mit ihr beschäftigenden Geist niemals leer entlässt. Täglich bitte ich, dass ich meinen Blick auf dich zu richten vermöge; und da mein Geist sich an dir erfreut, so möge meine Bitte durch deine Vermittlung wohlgefällig aufgenommen werden und meine Liebe dich besitzen! [10] Mein Nachdenken beschäftigt sich mit dir, aber meine Zunge bereitet ihm Schwierigkeiten; denn die äußere Rede kann das Verborgene nicht ausdrücken, was der Geist in sich überdenkt. Wer über dich staunen wollte, brauchte nur zu kommen, um dein armseliges Haus und deine freigebige Hand anzuschauen, welche, ehe sie noch gebar, schon wieder empfing1 . [20] Täglich streutest du aus, und doch mehrte sich dein Vorrat; deine weit geöffnete Hand konnte den in ihr enthaltenen Reichtum nicht erschöpfen, denn dein Herr gab dir stets. Ärmlich war dein Haus, aber reich deine Hand, denn täglich war sie angefüllt mit Lebensunterhalt für die Hungernden, mit Früchten der Barmherzigkeit. [30] Unser Herr versah deine gewohnte Freigebigkeit stets mit Vorrat, damit du deine Gewohnheit immer beibehalten könntest, nachdem du dir das barmherzige Wegschenken angewöhnt hattest. Die Gemächer deines Hauses waren leer und ausgeräumt, aber die Höhlungen deiner Hände waren angefüllt und gossen für die Hungrigen Sättigung aus, [40] Deine Hand wurde nicht S. 85erschöpft, denn noch größer war dein Schatz. So eifrig du auch wegzugeben bestrebt warst, so übertraf dich doch dein Vorrat, denn dein Herr ist größer als du. Da du seine Gebote erfülltest, so tat er deinen Willen; wenn du ihn anriefst, erhörte er dich und häufte Schätze für dich auf, damit deine Hand gepriesen würde. [50] Du empfingst von deinem Herrn Ersatz für das deinige, ja er verdoppelte und vermehrte ihn noch, damit du auch die anderen lehren solltest, es dir abzusehen und dir nachzuahmen.
Mit einer gleichsam gierigen Liebe verlegtest du dich auf das Fasten und ließest durch deine Schonungslosigkeit deinen Leib fast auf Haut und Knochen zusammenschrumpfen; denn dein Festmahl suchtest du im Paradiese. [60] Weder aßest du gierig noch fastetest du hochmütig; du verteiltest die Gewichte je nach der Fähigkeit der Träger2 , und dies alles verschaffte dir die Krone. Selbst wenn du aßest, übtest du das Fasten; die Speise deines reinen Tisches war wie ein Fasten, weil du durch sie nur dein Leben fristen wolltest. [70] Damit dein Leib nicht erliege und seinen mühevollen Lauf aufzugeben genötigt werde, zwangst du ihn, sich zu ernähren, auf dass sich nicht die Seele aus ihm entferne, bevor sie ihren Weg vollendet hätte. Kein noch so tüchtiger Faster konnte dich, den Greis, übertreffen; aber wenn dir Schwache Gesellschaft leisteten, so mildertest du dein Fasten, so dass sie gleichen Schritt mit dir halten konnten. [80] Dein Fasten war nicht hochmütig gegen die Schwachen, und dein Mund trug keine Enthaltsamkeit zur Schau gegenüber den Essenden, auf dass du allen alles würdest3 . Ein Wunder sahen wir an dir, weswegen wir deine Einsicht preisen wollen; denn dein Essen war ein Fasten und dein Fasten ein Essen, beides nur ein einziges Werk. [90] Du aßest nämlich, um nicht kraftlos zu werden, und fastetest, um nicht zu straucheln. Das Essen gereichte dir zur S. 86Erhaltung und das Fasten zum Nutzen. Möge dein Vorbild in uns lebendig bleiben!
Du erfülltest das Gebot der Hl. Schrift und aßest nicht allein4 ; deshalb fastetest du so, dass du allen alles sein und auch den Tischgenossen nützen konntest. [100] Dein Tisch wirkte ebenso heilsam wie deine Predigt; denn dein heiliger Mund pries Gott würdig und aß mäßig. Sein Reden war göttliches Geheimnis und sein Essen Mäßigkeit; er predigte über das Fasten und hielt seine Lippen von den Speisen fern, um sein Wort auf sich selbst anzuwenden. [110] Dein Fasten nützte uns, aber auch dein Tisch förderte uns; denn das Ohr ward durch dich entzückt und der Magen wies, durch dich belehrt, die verächtliche Lust von sich. Jedem, den du belehrtest, warst du ein lebendiges Vorbild, damit sich der Apostel darüber freuen könne, dass du seine Vorschriften erfülltest und in deiner Person zur Darstellung brachtest. [120] In der Kirche zeigte sich deine Heiligkeit, auf der Straße deine Keuschheit. Du trugst die Kirche in deinem Herzen, an welchem Orte auch immer dein heiliger Leib wandeln mochte. Die Herde, welche dich liebte, begleitete dich überall, um aus deiner Stimme Nutzen zu schöpfen und sich an deinem Anblick zu weiden, indem sie sich dein Auftreten zum Muster nahm. [130]
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d.h. dein ganzes Leben war eine ununterbrochene Reihe von Almosenspendungen, so dass du, während du einem Armen gabst, bereits die Austeilung weiterer Wohltaten vornahmst. ↩
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d.h. wenn du Tischgenossen hattest, die nicht an ein so strenges Fasten gewöhnt waren, so aßest du selbst aus Demut und Liebe etwas mehr, um sie nicht zu beschämen. ↩
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1.Kor.9, 22. ↩
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Sozomenos berichtet, dass Akazius jeden Besucher ohne weiteres und zu jeder Zeit empfing, indem er nicht einmal eine vorhergehende Anmeldung verlangte. ↩
