5. Der theologische und philosophische Wert der Schriften des Athenagoras.
Was Athenagoras an christlichen Lehren mitteilt, bringt er in einer Weise vor, die tiefes Verständnis voraussetzt. Zu den theologischen Glanzpartien der Bittschrift gehört vor allem die dogmatisch korrekte, scharfsinnige, für diese Zeit geradezu überraschende Darstellung der christlichen Trinitätslehre (Kap. 10). Dann sind die prächtigen Vergleiche zu beachten, die er bei der Belehrung über die Inspiration anwendet (Kap. 7 und 9). Auch für die christliche Engellehre ist Athenagoras ein schätzenswerter Zeuge (Kap. 24). Mit S. 269 welcher Begeisterung spricht er ferner von der Jungfräulichkeit (Kap. 32 u. 33) und von der Feindesliebe (Kap. 1 u.11), den zwei schönsten Erscheinungen der christlichen Ethik! Wenn er die zweite Ehe des Christen einen verbrämten Ehebruch und den, der eine solche eingeht, einen versteckten Ehebrecher nennt (Kap. 33), so nähert er sich dem Montanismus, ohne jedoch in dessen ganze Schroffheit zu verfallen. - Doch Athenagoras ist nicht nur Christ, er ist auch Philosoph. In seinen beiden Schriften tritt das Bestreben, die Lehren des Christentums mit dem Verstande zu erfassen und durch Vernunftgründe zu beweisen, schon mächtig hervor. Atheismus und Polytheismus sind falsch, weil sie unvernünftig sind! Nur der Monotheismus entspricht der Vernunft. Interessant ist hier der von Athenagoras gebotene sog. topologische Gottesbeweis (Kap. 8). Dieser Rationalismus in des Wortes edelster Bedeutung entfaltet sich ungehindert in der Auferstehungsschrift. Athenagoras geht hier so weit, daß er das schwierige Auferstehungsdogma auf rein philosophischem Wege sicher stellen will. Aus der Entstehungsursache und Bestimmung des Menschen, aus seiner Doppelnatur, aus dem Begriffe der göttlichen Vorsehung und Gerechtigkeit heraus folgert Athenagoras in scharfsinnigen Deduktionen die Auferstehung der Toten. Ein frisch und kühn hingeworfenes Apriori hilft ihm wiederholt über Schwierigkeiten hinweg. Er will den Heiden und auch den Christen zeigen, daß das Christentum durchaus logisch ist, daß es nicht etwas dem menschlichen Geiste Fremdes, Aufgedrungenes ist, sondern den Postulaten der Vernunft entspricht. Mehrere Stellen seiner Werke (Bittschrift Kap. 7-9; Auferstehungsschrift Kap. 1; Anfang von Kap. 2; Kap. 11; Anfang von Kap. 14; Schluß von Kap. 17) sind erkenntnistheoretisch interessant; auch macht sich wiederholt, was ebenfalls eines Philosophen würdig ist, das Ringen nach einer festen Terminologie bemerkbar. In diesem philosophischen Geiste. der die beiden Schriften durchdringt, liegt die Eigenart und Stärke des Apologeten Athenagoras.
