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Zweite Apologie (BKV)
2. An einem Vorkommnis der letzten Zeit wird gezeigt, wie ungerecht das gerichtliche Verfahren gegen die Christen ist.
Eine Frau, die früher ausschweifend gewesen war, lebte mit einem lasterhaften Manne zusammen. S. 140 Nachdem sie die Lehren Christi kennen gelernt hatte, war sie züchtig geworden und suchte nun auch ihren Mann zu einem züchtigen Wandel zu bewegen, indem sie ihm die Lehren vorlegte und die Strafe vorhielt, die den Unzüchtigen und vernunftwidrig Lebenden im ewigen Feuer bevorsteht. Der aber verblieb in demselben Lasterleben und entfremdete sich durch seine Handlungsweise seine Gattin. Denn da die Frau es für Sünde hielt, fürderhin mit einem Manne das Lager zu teilen, der gegen das Gesetz der Natur und gegen alles Recht auf jede Weise seine Wollust zu befriedigen suchte, wollte sie sich vom Ehebande trennen. Indessen von den Ihrigen gedrängt, die ihr weiterhin in der Ehe zu bleiben rieten, weil sich eine Besserung des Mannes doch noch hoffen lasse, bezwang sie sich und blieb. Als aber ihr Mann nach Ägypten gereist war und Nachrichten kamen, daß er es dort noch ärger trieb, da trennte sie sich von ihm, um nicht an seinen Lastertaten und Freveln, wenn sie in der Ehe verblieb und Tisch und Bett mit ihm gemeinsam hatte, Anteil zu haben, und gab ihm nach römischer Sitte den Scheidebrief1. Ihr trefflicher Gatte aber, der sich hätte freuen sollen, daß sie, die früher mit Dienern und Söldlingen leichtfertig gelebt hatte und dem Trunke und allem Laster ergeben war, von diesen Dingen abgekommen war und auch ihn davon abzubringen suchte, erhob gegen sie, da sie sich von ihm gegen seinen Willen getrennt hatte, die Anklage, sie sei eine Christin. Da reichte sie bei dir, Kaiser, eine Bittschrift ein, es möge ihr gestattet sein, zuerst ihre häuslichen Angelegenheiten zu ordnen und erst nach ihrer Regelung sich über die Anklage zu verantworten. Und das hast du ihr zugestanden. Ihr ehemaliger Gemahl aber, der ihr einstweilen vor Gericht nichts anhaben konnte, wandte sich nun gegen einen gewissen Ptolemäus, der von Urbikus, weil er jene in S. 141 der christlichen Lehre unterrichtet hatte, vorgeladen wurde2, und zwar auf folgende Weise. Den ihm befreundeten Hauptmann, der den Ptolemäus verhaftete, beredete er, den Ptolemäus vorzuladen und nur das eine zu fragen, ob er ein Christ sei. Als nun Ptolemäus, der die Wahrheit liebte und Lug und Trug verabscheute, sich als Christ bekannte, ließ ihn der Hauptmann einkerkern und peinigte ihn lange Zeit im Gefängnisse. Schließlich wurde der Mensch dem Urbikus vorgeführt, aber auch hier in gleicher Weise nur das eine gefragt, ob er ein Christ sei. Und wiederum bekannte er sich im Bewußtsein des Guten, das er dem christlichen Unterrichte verdankte, zu der Lehre Christi. Denn wer etwas ableugnet, der leugnet entweder, weil er die Sache verurteilt, oder er will sich nicht zu einer Sache bekennen, weil er sich ihrer für unwürdig und fremd hält; beides trifft bei einem wahren Christen nicht zu. Und als nun Urbikus ihn abzuführen befahl, da sprach ein gewisser Lucius, der auch Christ war, angesichts dieses so vernunftwidrig gefällten Urteilsspruches zu Urbikus: „Aus welchem Grunde hast du diesen Menschen, der weder ein Ehebrecher noch ein Mädchenschänder noch ein Mörder noch ein Dieb oder Räuber noch sonst eines Verbrechens überführt ist, sondern sich nur zum christlichen Namen bekannt hat, abführen lassen? Dein Urteil macht dem Kaiser Pius und des Kaisers weisheitsliebendem Sohne3 und dem heiligen Senate keine Ehre, Urbikus“. Der aber antwortete nichts weiter, als daß er zu Lucius sprach: „Auch du scheinst mir ein solcher zu sein“. Und als nun Lucius antwortete: „Ja“, da ließ er auch ihn zum Tode führen. Er aber erklärte, er sei ihm dafür noch dankbar in Anbetracht dessen, daß er von derartig schlechten Herrschern befreit werde und zum Vater und Könige des Himmels wandere. Auch noch ein Dritter, der hinzukam, wurde zu der gleichen Strafe verurteilt4.
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Nach dem Gesetze des Moses (Deut. 24, 1) konnte nur der Mann den Scheidebrief (libellus repudii) geben, nach römischem Rechte auch die Frau. ↩
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Statt des ἐκολάσατο [ekolasato] der Handschrift ist wohl mit Klette (Der Prozeß und die Acta s. Apollonii, Leipzig 1897, 101) zu schreiben ἐκαλέσατο [ekalesato]. ↩
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Gemeint ist Mark Aurel, der spätere Kaiser. ↩
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Das Vorkommnis war ein schlagender Beweis für die Ungerechtigkeit, die in den Christenprozessen waltete. Unter der Regierung einsichtiger und wohlwollender Herrscher wurden durch einen ihrer treuesten und geschätztesten Beamten auf die Anzeige notorisch unsittlicher und boshafter Menschen Leute zum Tode geführt, deren ganzes Verbrechen darin bestand, daß sie Christen waren. Man begnügte sich, sie zu fragen, ob sie Christen seien, und forderte nicht einmal von ihnen, was sonst gewöhnlich geschah, daß sie vor den Bildern der Götter oder des Kaisers opferten. ↩
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The Second Apology of Justin for the Christians Addressed to the Roman Senate
Chapter II.--Urbicus condemns the Christians to death.
A certain woman lived with an intemperate 1 husband; she herself, too, having formerly been intemperate. But when she came to the knowledge of the teachings of Christ she became sober-minded, and endeavoured to persuade her husband likewise to be temperate, citing the teaching of Christ, and assuring him that there shall be punishment in eternal fire inflicted upon those who do not live temperately and conformably to right reason. But he, continuing in the same excesses, alienated his wife from him by his actions. For she, considering it wicked to live any longer as a wife with a husband who sought in every way means of indulging in pleasure contrary to the law of nature, and in violation of what is right, wished to be divorced from him. And when she was overpersuaded by her friends, who advised her still to continue with him, in the idea that some time or other her husband might give hope of amendment, she did violence to her own feeling and remained with him. But when her husband had gone into Alexandria, and was reported to be conducting himself worse than ever, she--that she might not, by continuing in matrimonial connection with him, and by sharing his table and his bed, become a partaker also in his wickednesses and impieties--gave him what you call a bill of divorce, 2 and was separated from him. But this noble husband of hers,--while he ought to have been rejoicing that those actions which formerly she unhesitatingly committed with the servants and hirelings, when she delighted in drunkenness and every vice, she had now given up, and desired that he too should give up the same,--when she had gone from him without his desire, brought an accusation against her, affirming that she was a Christian. And she presented a paper to thee, the Emperor, 3 requesting that first she be permitted to arrange her affairs, and afterwards to make her defence against the accusation, when her affairs were set in order. And this you granted. And her quondam husband, since he was now no longer able to prosecute her, directed his assaults against a man, Ptolemaeus, whom Urbicus punished, and who had been her teacher in the Christian doctrines. And this he did in the following way. He persuaded a centurion --who had cast Ptolemaeus into prison, and who was friendly to himself--to take Ptolemaeus and interrogate him on this sole point: whether he were a Christian? And Ptolemaeus, being a lover of truth, and not of a deceitful or false disposition, when he confessed himself to be a Christian, was bound by the centurion, and for a long time punished in the prison. And, at last, when the man 4 came to Urbicus, he was asked this one question only: whether he was a Christian? And again, being conscious of his duty, and the nobility of it through the teaching of Christ, he confessed his discipleship in the divine virtue. For he who denies anything either denies it because he condemns the thing itself, or he shrinks from confession because he is conscious of his own unworthiness or alienation from it, neither of which cases is that of the true Christian. And when Urbicus ordered him to be led away to punishment, one Lucius, who was also himself a Christian, seeing the unreasonable judgment that had thus been given, said to Urbicus: "What is the ground of this judgment? Why have you punished this man, not as an adulterer, nor fornicator, nor murderer, nor thief, nor robber, nor convicted of any crime at all, but who has only confessed that he is called by the name of Christian? This judgment of yours, O Urbicus, does not become the Emperor Pius, nor the philosopher, the son of Caesar, nor the sacred senate." 5 And he said nothing else in answer to Lucius than this: "You also seem to me to be such an one."
And when Lucius answered, "Most certainly I am," he again ordered him also to be led away. And he professed his thanks, knowing that he was delivered from such wicked rulers, and was going to the Father and King of the heavens. And still a third having come forward, was condemned to be punished.
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akolastainonti, which word includes unchastity, as well as the other forms of intemperance. [As we say, dissolute.] ↩
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rhepoudion, i.e., "repudium," a bill of repudiation. ↩
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[Rather, "to thee, autocrat:" a very bold apostrophe, like that of Huss to the Emperor Sigismund, which crimsoned his forehead with a blush of shame.] ↩
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i.e., Ptolemaeus. ↩
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On this passage, see Donaldson's Critical History, etc., vol. ii. p. 79. ↩