5.
Nun war dem Abraham einst von Gott gesagt worden: „Ziehe hinweg aus deinem Lande1“; zu uns aber wird wohl in Kürze gesagt werden: Ziehet hinweg aus der ganzen Erde. Diesem Wort muß man gehorchen, S. 158 damit es uns schnell die Himmel zeige, in denen sich das Reich, das den Namen „Himmelreich“ trägt, befindet. Man kann nun das Leben erfüllt sehen von Kämpfen und Kämpfern um viele Tugenden. Denn es wird sich zeigen, dass um Enthaltsamkeit auch andere, als die zu „Gottes Anteil2“ Gehörenden in großer Zahl gerungen, dass gar manche in einem heldenmütigen Tod die Treue dem gemeinsamen Herrn bewahrt, dass um Einsicht die in wissenschaftlichen Untersuchungen Geübten sich bemüht, und dass der Gerechtigkeit die gedient haben, die sich vorgenommen hatten, ein gerechtes Leben zu führen. Und es zieht gegen eine jede Tugend zu Felde entweder was „fleischlich denkt3“ oder die große Mehrzahl der Außendinge. Um die Frömmigkeit aber kämpft allein „das auserwählte Geschlecht, die königliche Priesterschar, der heilige Stamm, das zum Eigentum (bestimmte) Volk4“, während die übrigen Menschen sich nicht einmal den Anschein geben, dass sie, wenn die Frommen durch eine Verfolgung bedroht werden, für die Frömmigkeit zu sterben vorziehen und den Tod in Frömmigkeit höher stellen als ein Leben in Gottlosigkeit. Und ein jeder von denen, die zu dem „auserwählten Geschlecht“ gehören wollen, läßt sich überreden, auf Gott zu hören, der ihm zu jeder Zeit, auch bei den Nachstellungen derer, die vorgeblich viele, in Wahrheit aber keine Götter verehren, die Worte zuruft: „Du sollst keine anderen Götter neben mir haben5“, ferner: „Des Namens anderer Götter sollt ihr nicht gedenken in euern Herzen, und von euerm Munde soll er nicht genannt werden6.“ Deshalb wird von solchen Menschen „Gott mit dem Herzen gläubig erfaßt zur Gerechtigkeit, mit dem Munde aber bekannt zum Heil7“. Denn sie begreifen, dass sie Gerechtigkeit nicht erlangen werden, sie müßten denn so und bei solchem Zustand ihres Herzens an Gott glauben, dass sie aber auch das Heil nicht erlangen werden, außer wenn ihre Worte ihrer Gesinnung entsprechen. Denn S. 159 sich selbst betrügt, wer glaubt, es genüge, um in Christo das Ziel zu erreichen, das Wort: „Denn mit dem Herzen wird er gläubig erfaßt zur Gerechtigkeit“, auch ohne dass das andere hinzukäme: „mit dem Munde aber wird er bekannt zum Heil8“. Und man darf wohl behaupten, dass es eher möglich ist9, Gott „mit den Lippen“ zu ehren und das Herz „fern“ von ihm zu halten10, als ihn „mit dem Herzen“ zu ehren, ohne dass der Mund Bekenntnis ablegt „zum Heil11“.
