IV.
Die Entwicklungsstufen der Menschheit haben wir nun behandelt: wie sie anfing bei der Geschwisterehe und fortschritt zur Enthaltsamkeit; es ist aber noch von der Jungfräulichkeit zu sprechen. So nimm nun alle Kraft zusammen, versuch's und rede! Da muß man zuerst sich fragen: es haben doch viele Patriarchen und viele Propheten und Gerechte viel Herrliches gelehrt und getan — warum hat aber keiner von ihnen die Jungfräulichkeit besungen, noch sie auf sich genommen? Ja, weil es eben dem Herrn bleiben sollte, diese Disziplin einzuführen, dem Herrn, der auch der einzige gewesen, der mit der Verkündigung auf trat: der Mensch kann Gott haben. Ihm, dem Fürsten der Priester, dem Fürsten der Propheten, dem Fürsten der Engel, ihm geziemte doch auch der Titel „Fürst der Jungfrauen“. In der Vorzeit war der Mensch noch nicht vollkommen und so konnte er auch das Vollkommene noch nicht fassen, die Jungfräulichkeit. Nach Gottes Bild geworden, bedurfte er noch der Gabe, auch nach seinem Gleichnisse zu arten; das eben zu vollenden, wurde der Logos in die Welt herabgesandt; er hat zuerst unsere Gestalt angenommen, die über und über bedeckt war von vielen Sünden, damit denn wir — um derenwillen er sie trug — wiederum das Göttliche zu fassen vermöchten. Dann nämlich können wir ganz nach Gottes Gleichnis uns gestalten, wenn wir traun seines menschlichen Wandels Züge tüchtigen Porträt-Malern gleich, in uns selbst wie S. 290 auf Tafeln ausdrücken und ohne Fehl bewahren, wenn wir als Schüler den Pfad beschreiten, den er selbst geoffenbart. Darum hat er es ja auf sich genommen mit menschlichem Fleische sich zu umkleiden, er, der Gott, damit wir wie auf einem Gemälde des Lebens göttliche Ausprägung sähen und auch selbst dem Maler es nachtun könnten. Er hat nicht so gedacht und anders gehandelt und mit nichten das für das Edle gehalten und doch etwas anderes gelehrt; sondern was da wahrhaftig wertvoll war und edel, das hat er gelehrt und getan.
