6.
Das zeigt in vorzüglicher Weise die Torheit derjenigen, die behaupten, der Logos habe sich in Knochen und Fleisch verwandelt. Wäre nämlich das der Fall gewesen, so hätte es keines Grabes bedurft; denn der Leib würde durch sich selbst fortgegangen sein, um den Geistern in der Unterwelt zu predigen. Nun ging aber der Logos hin, um zu predigen. Den Leib aber schlug Joseph in ein Linnen und begrub ihn auf Golgatha1; und für alle war es erwiesen, daß der Leib nicht der Logos, sondern daß es der Leib des Logos war. Diesen Leib berührte nach seiner Auferstehung von den Toten Thomas; an ihm sah er die Male der Nägel2, die der Logos selbst erduldet hatte, als er sah, wie sie in seinen Leib getrieben wurden, und es nicht hinderte, obwohl er es hätte hindern können. Der körperlose Logos machte vielmehr das dem Leibe Eigentümliche sich selbst zu eigen. In der Tat, als der Leib vom Diener S. 511 geschlagen wurde sprach der Logos, als ob er selbst litte: „Warum schlägst du mich?"3 Und obwohl der Logos von Natur nicht berührt werden kann, sprach er doch: Meinen Rücken bot ich Geißelhieben dar, und mein Antlitz wendete ich nicht ab von der Beschimpfung durch Speichel"4. Denn was der menschliche Leib des Logos litt, das bezog der ihm einwohnende Logos auf sich selbst, damit wir der Gottheit des Logos teilhaftig werden könnten. Es war auch wunderbar, daß derselbe litt und nicht litt; litt, weil der ihm eigene Leib litt, und er im leidenden Leib war; nicht litt, weil der Logos von Natur Gott ist und deshalb nicht leiden kann. Der Körperlose war in dem leidensfähigen Leib; der Leib aber hatte den keines Leidens fähigen Logos in sich, der die Schwächen des Leibes hinwegnahm. Das tat er aber, und das geschah, damit er das Unsrige auf sich nehme, zum Opfer brächte und dadurch vollständig vernichte, dagegen mit dem Seinigen uns umkleide und den Apostel sprechen lassen könne: „Dieses Vergängliche muß Unvergänglichkeit anziehen, und dieses Sterbliche muß Unsterblichkeit anziehen"5.
