2.
Das, was der Prophet in der Ekstase geschaut, ist wahr und gewiß gewesen. Es ward aber damit etwas anderes angezeigt, etwas Geheimnisvolles und Göttliches angedeutet, verborgen wahrhaftig vor den Geschlechtern, „in den letzten Zeiten aber geoffenbaret“1 bei „der Erscheinung Christi“2. Er schaute nämlich das Geheimnis der Seele, die im Begriffe steht, ihren Herrn aufzunehmen und „ein Thron seiner Herrlichkeit“3 zu werden. S. 2 Denn die Seele, die gewürdigt worden, teilzunehmen an dem Geiste des Lichtes selbst, der sie zu seinem Thron und seiner Wohnstätte zubereitet, die durchleuchtet ist von der Schönheit seiner unaussprechlichen Herrlichkeit, wird ganz Licht, ganz Antlitz, ganz Auge; es ist keine Stelle mehr an ihr, die nicht voll geistiger Lichtaugen wäre, d. h. nichts ist finster [an ihr], sie ist vielmehr ganz und gar Licht und Geist geworden, sie ist ganz voll Augen, sie hat darum keine hintere oder vordere Seite mehr, sondern auf allen Seiten ist sie Angesicht, wenn die unaussprechliche Lichtherrlichkeit Christi über sie gekommen ist und sie in Besitz genommen hat. Und wie die Sonne auf allen Seiten gleich ist und keinen schwächeren oder mangelhaften Teil hat, sondern ganz und gar im Lichte strahlt und ganz Licht ist und aus lauter gleichen Teilen besteht, oder wie das Feuer, beziehungsweise das Licht des Feuers sich ganz gleich ist und kein Vorder oder Hinter, kein Größer oder Kleiner in sich hat: so wird auch die Seele, die von der unaussprechlichen Lichtherrlichkeit des Antlitzes Christi vollkommen durchleuchtet und vollkommen des Heiligen Geistes teilhaftig ist, die gewürdigt worden, eine Wohnstätte und „ein Thron Gottes“4 zu werden, ganz Auge, ganz Licht5, ganz Angesicht, ganz Herrlichkeit, ganz Geist. Also bereitet sie Christus zu, trägt und treibt sie, hebt und hält sie, so schmückt und ziert er sie mit geistiger Schönheit. Denn es heißt: „Eines Menschen Hand war unter den Cherubim“6. Er selbst nämlich ist es, der in ihr fährt und sie leitet.
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1 Petr. 1, 20. ↩
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2 Tim. 1, 10. ↩
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Matth. 19, 28; 25, 31. ↩
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Matth. 5, 34; 23, 22; Hebr. 12, 2; Off. 7, 15; 22, 1. 3. ↩
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J. Stiglmayr (Sachliches und Sprachliches bei Makarius, Innsbruck 1912 S. 66) weist darauf hin, daß schon nach Klemens von Alexandrien (Strom. 7, 12 ed. Stählin III 56) der wahre christliche Gnostiker, der alles Irdische und Sinnliche abgelegt, „ganz Licht“ wird. Siehe auch h. 18, 10. ↩
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Vgl. Ez. 1, 8; 10, 8. 21. ↩
