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Wie wir von menschlichen Verhältnissen aus durch eine hoch emporsteigende Betrachtung in der göttlichen Natur das Wort erkannten, so werden wir auf dem nämlichen Wege noch auf den Begriff des Geistes oder des Odems geführt, wenn wir gewisse Abschattungen und Abbilder der unaussprechlichen Macht in unserer eigenen Natur ins Auge fassen. Freilich ist bei uns der Odem eine Bewegung der Luft, die nicht zu unserer Natur gehört, die aber zur Erhaltung des Körpers notwendig ein- und ausgeatmet wird; durch sie wird, wenn wir ein Wort aussprechen, die Stimme erzeugt, durch die erst der Sinn des Wortes anderen zugänglich wird. Bei der göttlichen Natur ist ebenfalls die Existenz eines Odems oder Geistes frommgläubig gesetzt (gleichwie die Existenz des Wortes Gottes zugegeben wurde), wenn das göttliche Wort nicht unvollkommener sein kann als das S. 8 menschliche; außerdem würden wir ja das menschliche Wort mit Geist und Odem ausstatten, das göttliche aber dessen berauben.
Jedoch gebührt es sich in bezug auf Gott zu glauben, daß der Odem nicht nach Art des unsrigen als etwas zu Gott ursprünglich nicht Gehörendes ihm von außen zuströme und in ihm erst zum Odem werde, sondern es verhält sich hier ähnlich wie beim Worte: wie dieses weder etwas für sich Nichtbestehendes ist, noch durch Erlernung entstanden, noch durch die Stimme hervorgebracht, noch nach dem Entstehen vergänglich, noch mit den Mängeln belastet, an denen unser Wort leidet, sondern wesenhaft subsistierend, willenskräftig, wirkend und allmächtig ist, so verstehen wir auch, wenn wir vom Odem Gottes hören, der das Wort begleitet und seine Wirksamkeit offenbart, darunter keinen leeren Hauch des Atems ― denn eine Auffassung, welche Gottes Odem ganz nach Art des menschlichen sich vorstellt, würde die göttliche Erhabenheit zu unserer Niedrigkeit herabziehen ―, sondern eine wesenhafte Macht, welche in eigener Subsistenz, auf sich selbst fußend, uns entgegentritt, welche auch weder von Gott, in dem sie ist, noch vom Worte Gottes, das von ihr begleitet wird, losgetrennt werden kann, oder welche sich je in das Nichtsein ergießt, sondern welche, dem Worte Gottes ähnlich, hypostatisch existiert, ebenfalls willenskräftig, frei in der Bewegung, wirksam ist, das Gute will und für jeden Plan mit dem Willen zugleich die Macht zur Ausführung hat.Kapitel 3. Das Geheimnisvolle der Trinität und ihr Verhältnis zum heidnischen und jüdischen Gottesglauben.
