5. Der Mensch ist das Abbild des göttlichen Königthums.
Die göttliche Schönheit aber prangt eben nicht in einem Schmuck und Glücksloos der Gestalt durch ein gewisses Wohlaussehen, sondern besteht in unaussprechlicher Glückseligkeit der Vollkommenheit. Gleichwie nun die Maler die menschlichen Gestalten mittelst Farben auf die Tafeln übertragen, indem sie die gehörigen und entsprechenden Tinten auf das Portrait pinseln, damit die urbildliche Schönheit genau übergetragen werde auf das Abbild, so, denke mir, habe auch unser Bildner wie mit Farben mit dem Umwurf der Tugenden nach der eigenen Schönheit das Bild umblümt und so an uns dargestellt seine eigene Hoheit. Vielartig aber und mannigfach sind die gleichsam-Farben des Bildes, durch welche die wahrhaftige Gestalt abgemalt ist, nicht Röthe und Helle und die wie immer beschaffene Verbindung dieser mit einander, noch ein Braue und Aug’ untermalender und mischungsweise die Vertiefungen des Bildes schattirender Auftrag von Schwärze, und was immer dergleichen die Hände der Maler dazuzukünsteln pflegen, sondern statt dessen Reinheit, Leidlosigkeit, Glückseligkeit, Freiheit von allem Bösen und was immer von solcher Art ist, wodurch den Menschen die Gottähnlichkeit gestaltet wird. Mit solcher Farbenpracht hat der Verfertiger seines eigenen Bildes unsere Natur gemalt. Forschest du aber auch nach dem Übrigen, wodurch die göttliche Schönheit ausgedrückt wird, so wirst du auch in Bezug auf dieses in dem Bild an uns die Ähnlichkeit genau bewahrt finden. Geist und Vernunft (=Wort) S. 220 ist die Gottheit; denn „im Anfange war das Wort,“1 und die nach Paulus „haben Christi Geist, der in ihnen redet.“2 Nicht fern von Diesen ist auch das Menschenwesen. Du siehst in dir die Vernunft und den Denkgeist, ein Abbild des Ur-Geistes und Wortes. — Liebe hinwieder ist Gott und Liebesquelle; denn so sagt der große Johannes:3 „Die Liebe ist aus Gott, und Gott ist die Liebe.“ Das hat auch zu unserem Gesichtsausdrucke4 gemacht der Bildner unserer Natur. Denn „daran“, sagt er, „sollen Alle erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebet.“5 Ist also diese nicht da, so ist der ganze Charakter des Bildes verändert. — Alles sieht und Alles hört die Gottheit, und Alles durchforscht sie. Auch du hast die Wahrnehmung der Dinge durch Gesicht und Gehör und die die Dinge untersuchende und durchforschende Denkkraft.
