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Woher kommt dieser schlechte Geist? Woher eine solche Frivolität? Legt nicht schon der Name allein Zeugnis ab und belehrt dich eines Besseren, mein streitlustiger Gegner? Wo wäre der Mann, wo das Geschlecht, von dem es gewagt worden wäre, den Namen der heiligen Maria auszusprechen, ohne auf Befragen sofort hinzuzufügen den Titel „Jungfrau“! Ohne viele Worte sind nämlich Beinamen stilleuchtende Tugendzeugnisse. Es haben denn auch ehrende Beinamen erhalten die Gerechten, jeder wie es sich für ihn gebührte und paßte. So wurde Abraham zubenannt: „Freund Gottes“, und das wird nicht mehr rückgängig gemacht werden; Jakob: „Israel“, und niemand wird das anders machen; die Apostel: Boanerges, d. i. „Donnersöhne“, und das wird nicht mehr abkommen. Maria aber heißt: „Jungfrau“, und dabei wird es bleiben. Denn unbefleckt blieb die Heilige. Belehrt euch denn nicht die Natur selbst darüber? Was müssen wir doch für neue Tollheiten, ungehörte Geschichten erleben! Vieles andere noch sehen wir, was in der guten, alten Zeit keinem S. 239beigekommen wäre. Jetzt lästert der eine gegen die Erscheinung Christi im Fleische, ein anderer spricht gegen dessen Gottheit, ein dritter macht für seine Person illusorisch das Heilswerk der Menschwerdung, einem andern ist die Auferstehung der Toten ein Stein des Anstoßes, und wieder einem andern etwas anderes. Genug! Darum sag ich ja: ein unruhevolles Geschlecht lebt jetzt auf Erden; da ist das Leben [der Seele] in ständiger Gefahr, weil von allen Seiten die Teufelssaat glaubensfeindlicher Gedanken und Vorstellungen in die Herzen gestreut wird. Wie kann man sich heranwagen an die unversehrte Jungfrau, die gewürdigt wurde, Wohnstätte des Sohnes zu sein, sie, die gerade hierzu auserwählt wurde aus Tausenden von Israel, gewürdigt, Gefäß und Wohnstätte allein für den Gottessproß zu sein!
