2.
Siehst du, wie Name und Art des Evangeliums bereits im Alten Testamente enthalten sind? Nicht bloß mit Worten, will der Apostel (mit Bezug auf die angeführten Stellen) sagen, verkünden wir das Evangelium, sondern auch durch Taten. Es ist ja auch nichts Menschliches, sondern etwas Göttliches, Unsagbares, ganz und gar Übernatürliches. Weil man ihm aber den Vorwurf machte, es sei eine Neuerung, so zeigt der Apostel, daß es älter sei, als die Griechen uns in den Propheten im voraus beschrieben. Wenn es nicht gleich von Anfang S. b12 zutage trat, so lag es an denen, die es nicht zulassen wollten. „Abraham, euer Vater“, heißt es, „hat gefrohlockt, daß er meinen Tag sehen werde; er sah ihn und freute sich“ 1. Wieso heißt es dann aber, daß „viele Propheten und Gerechte danach verlangten, zu sehen, was ihr sehet, und sahen es nicht“? 2 So, will das heißen, sahen sie es nicht, wie ihr es sehet und höret, in körperlicher Gestalt mitsamt den sichtbaren Zeichen. — Beachte hier, wie lange vorher alles das vorausverkündigt war! Denn wenn Gott etwas Großes in Szene setzen will, so tut er es lange im voraus kund und ebnet ihm die Wege, daß es Gehör findet, wenn es geschieht.
„In den heiligen Schriften.“
— Die Propheten drückten nämlich das, was sie sagten, nicht bloß in Worten aus, sondern sie schrieben es auch nieder; ja, sie schrieben es nicht bloß nieder, sondern sie drückten es auch in figürlichen Handlungen aus; so Abraham, als er Isaak zur Opferung führte, Moses, als er die Schlange erhöhte, als er seine Hände ausstreckte gegen Amalek, als er das Osterlamm opferte.
V. 3: „Von seinem Sohne, der dem Fleische nach aus dem Geschlechte Davids geboren ward“
Was soll das heißen, Paulus? Vorher hast du unsern Geist einen Höhenflug nehmen lassen, hast unsagbar Großes unserer Phantasie vorgezaubert, hast uns vom Evangelium gesprochen, und zwar vom Evangelium Gottes, hast uns den Reigen der Propheten vorgeführt und uns gezeigt, wie sie alle vor vielen Jahren Zukünftiges geweissagt haben; und nun führst du uns wieder zurück zu David? Von welchem Menschen, sag’ an, sprichst du da, dem du Jesses Sohn zum Vater gibst? Wie stimmt das zur Erhabenheit des vorher Gesagten? — Wohl stimmt es dazu; denn nicht von einem bloßen Menschen, will er sagen, ist die Rede; darum habe ich beigesetzt: „Dem Fleische nach“, um damit anzudeuten, daß er auch eine Abstammung dem Geiste nach habe. S. b13 Und warum ging er von jener aus, nicht von dieser, der höheren? Weil auch Matthäus, Lukas und Markus von jener ausgingen. Denn wer zum Himmel emporführen will, muß von unten nach oben führen. In derselben Ordnung ging es auch bei der Heilstatsache zu. Zuvörderst sahen die Apostel den Erlöser als Menschen auf der Erde, und von da aus lernten sie ihn erkennen als Gott. Denselben Lehrgang hält auch sein Schüler ein. Er spricht zuerst von Abstammung des Erlösers dem Fleische nach, nicht als ob sie die erste wäre, sondern um den Zuhörer von dieser zu jener zu führen.
V. 4: „Der bestimmt war zum Sohne Gottes in Kraft und im Geiste der Heiligung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten“
Aus der sonderbaren Wortfügung ist es unklar, was der Apostel sagen will; darum muß sie aufgelöst werden. Was will er sagen? Wir verkünden ihn als Sprößling aus dem Geschlechte Davids, sagt er; und das ist klar. Woher wissen wir aber, daß dieser, der Menschgewordene, Gottes Sohn ist? Zunächst von den Propheten. Darum spricht er: „Was er zuvor durch seine Propheten in den heiligen Schriften versprochen hatte.“ Das ist keineswegs ein geringfügiger Beweisgrund. Zweitens von der Art seiner Abstammung, die er selbst angibt, wenn er spricht: „Aus dem Geschlechte Davids dem Fleische nach.“ Damit entsprach er dem Gesetze der Natur. Drittens von den Wundern, die er wirkte und durch die er einen Beweis seiner großen Kraft gab. Das will jenes „in Kraft“ sagen. Viertens von dem Geiste, den er denen gab, die an ihn glaubten und durch den er alle heilig machte; darum heißt es: „im Geiste der Heiligung“. Nur in Gottes Macht lag es, so große Geschenke zu geben. Fünftens von der Auferstehung des Herrn. Er war nämlich der erste und der einzige, der sich selbst erweckte. Auf dieses Zeichen wies er darum selbst hin als auf das geeignetste, die Unverschämtheit der Gegner zum Schweigen zu bringen: „Löset, brechet diesen Tempel ab, und in drei Tagen will ich ihn wieder aufbauen“ 3, und: „Wenn ihr mich werdet S. b17 erhöht haben von der Erde, dann werdet ihr erkennen, daß ich es bin“ 4, und wiederum: „Dieses Geschlecht verlangt ein Zeichen, und es wird ihm kein anderes Zeichen gegeben werden als das Zeichen des Jonas“ 5. Was will jenes „bestimmt“ sagen? Offenkundig gemacht, kenntlich gemacht, von andern unterschieden, von der allgemeinen Meinung und dem allgemeinen Urteil einerkannt auf Grund der Propheten, der wunderbaren Geburt dem Fleische nach, der aus den Wunderzeichen hervorleuchtenden Kraft, der durch den Geist verliehenen Heiligung, der Auferstehung endlich, durch die er die Gewaltherrschaft des Todes brach.
V. 5: „Durch den wir empfangen haben Gnade und Apostelamt zum Gehorsam des Glaubens“
Beachte den dankbaren Sinn des Dieners! Nichts will er als sein, sondern alles als vom Herrn kommend betrachtet wissen. Auch der Geist ist sein Geschenk. Darum sprach er: „Ich habe euch noch vieles zu sägen, aber ihr könnt es jetzt nicht tragen. Wenn aber jener Geist der Wahrheit kommen wird, so wird er euch in alle Wahrheit einführen“ 6. Und wiederum: „Sondert mir ab den Paulus und Barnabas“ 7. Und im Korintherbriefe heißt es: „dem einen wird durch den Geist verliehen das Wort der Weisheit, einem andern das Wort der Wissenschaft“ 8, und: „Er teilt alles aus, wie er will.“ In der Predigt an die Milesier: „In welcher euch der Hl. Geist gesetzt hat zu Hirten und Bischöfen“ 9. Siehst du, wie er das, was dem Hl. Geiste zukommt, als Sache des Sohnes bezeichnet, und was dem Sohne zukommt, als Sache des Hl. Geistes?
„Gnade und Apostelamt“ . — Das heißt: nicht wir haben es bewirkt, daß wir Apostel geworden sind; denn nicht durch unsere Mühe und Arbeit haben wir diese Würde erlangt, sondern wir haben Gnade empfangen, und von oben ist uns als Geschenk dieses Amt übertragen worden. S. b15
