3.
Wenn er uns also zu diesem Zweck begnadet hat, zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade und um seine Gnade zu offenbaren, so laßt uns in derselben bleiben! - „Zum Preise der Herrlichkeit.“ Was will das besagen? Daß wer ihn preisen soll? Daß wer ihn verherrlichen soll? Wir? Oder die Engel? Oder die Erzengel? Oder die ganze Schöpfung? Und was wäre damit erreicht? Nichts; denn die Gottheit ist nicht bedürftig. Weshalb also will er von uns gepriesen und verherrlicht werden? Auf daß die Liebe zu ihm in uns glühender werde. Denn nichts begehrt er von uns als einzig unser Heil, nicht Dienst, nicht Lobpreis, nicht etwas anderes, und nur deswegen tut er alles. Wer nämlich die Gnade, die S. 166 er an sich erfahren, preist und bewundert, wird aufmerksamer und eifriger werden. - „Mit welcher er uns begnadet hat“, spricht er. Paulus sagt nicht, mit welcher er uns beschenkt, sondern „uns begnadet“ hat, angenehm gemacht hat. Das will sagen: er hat uns nicht bloß von unseren Sünden befreit, sondern auch liebenswürdig gemacht. Wie wenn jemand einen von Krätze Behafteten, durch Siechtum und Krankheit, durch Alter, Armut und Hunger Herabgekommenen mit einem Male zu einem wohlgestalteten Jüngling machte, der alle Menschen an Schönheit übertrifft, mit hellschimmernden Wangen, der Sonne Glanz verdunkelnd durch die feurig blitzenden Augen, sodann ihn dauernd in die Blütezeit des Lebens versetzte und hierauf mit Purpurmantel, Diadem und allem königlichen Schmucke bekleidete: so hat Gott unsere Seele ausgestattet und dieselbe schön, reizend und liebenswürdig gemacht. Verlangen doch die Engel eine solche Seele zu schauen, die Erzengel, alle Himmlischen! So anmutig hat er uns gemacht, daß wir sein eigenes Wohlgefallen erregen. Denn es steht geschrieben: „Verlangen wird der König nach deiner Schönheit“1 . Beachte nämlich, welch schädliche Reden wir ehedem führten, und welch anmutige Worte wir jetzund sprechen! Nicht mehr den Reichtum bewundern wir, nicht mehr die Güter dieser Erde, sondern den Himmel und die himmlischen Dinge. Nennen wir nicht ein Kind anmutig, das neben körperlicher Schönheit auch große Anmut in seiner Rede besitzt? Nun, so sind die Gläubigen. Betrachte die Reden, welche die Eingeweihten führen! Kann es etwas Anmutigeres geben als den Mund, der die wunderbaren Worte ausspricht und mit reinem Herzen und reinen Lippen teilnimmt an einem so geheimnisvollen Tische, mit viel Ehre und Zuversicht? Etwas Anmutigeres als die Worte, durch welche wir uns vom Teufel lossagen? durch welche wir uns unter die Fahne Christi stellen? S. 167 als jenes Bekenntnis vor der Taufe? als jenes nach der Taufe? Erwägen wir es alle, die wir die Taufgnade verloren haben, und beklagen wir es, damit wir in den Stand gesetzt werden, sie wieder zu erlangen! „Durch seinen geliebten Sohn“, sagt er,
V.7: „in welchem wir die Erlösung besitzen durch sein Blut.“
Auf welche Weise? Nicht nur, daß er seinen Sohn hingab, ist wunderbar, sondern auch, daß er ihn in der Weise hingab, daß dieser sein geliebter Sohn den blutigen Opfertod erlitt. Welch Übermaß der Liebe! Den geliebten Sohn hat er hingegeben für die Hassenswerten. Sieh, wie hoch er uns schätzt! Wenn er schon, da wir ihn noch haßten und seine Feinde waren, den geliebten Sohn hingab: was sollte er nicht fürderhin tun, wenn wir mit ihm versöhnt sind durch die Gnade? „Die Vergebung der Sünden“, fährt der Apostel fort. Er steigt vom Höheren zum Niedern herab; früher, da er von der Kindschaft sprach und der Heiligung und der Untadelhaftigkeit und dann vom Leiden, hat er die Rede nicht abgeschwächt, hat er sie nicht vom Größeren zum Kleineren herab-, sondern vom Kleineren zum Größeren hinaufsteigen lassen. Denn nichts ist so groß, als daß Gottes Blut für uns vergossen wurde. Größer als die Kindschaft und die übrigen Wohltaten ist dies, daß er nicht einmal seines Sohnes schonte. Etwas Großes ist allerdings die Vergebung der Sünden; aber das Größere ist, daß sie uns zuteil wurde durch das Blut des Herrn. Daß dieses alles bei weitem überragt, magst du schon aus den Worten ersehen, in die Paulus an dieser Stelle ausbricht: „nach dem Reichtum seiner Gnade“,
V.8: „die er uns überschwenglich hat zuteil werden lassen.“
S. 168 Reichtum [der Gnade] ist auch jenes, in weit höherem Maße aber dieses. - „Die er uns überschwenglich hat zuteil werden lassen“, sagt er. Ja, Reichtum, und zwar überschwenglich, d.h. in unaussprechlicher Fülle, ist ausgegossen. Es läßt sich nicht durch Worte schildern, was wir in der Tat an uns erfahren haben. Es ist Reichtum, überschwenglicher Reichtum, nicht menschlicher, sondern göttlicher Reichtum; daher das völlige Unvermögen, denselben in Worte zu fassen. Um aber zu zeigen, wie überschwenglich Gott gegeben hat, fährt er fort: „in aller Weisheit und Erkenntnis,
V.9: indem er uns kundtat das Geheimnis seines Willens.“ D.h., indem er uns die wahre Weisheit, die wahre Erkenntnis verlieh.
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Ps 44,12 ↩
