2.
An die Kirche zu Thessalonike.
Ganz gut gewählter Ausdruck. Denn darin, daß der Apostel zu den doch wohl noch verhältnißmäßig wenigen und noch nicht so recht innig verbundenen Gläubigen zu Thessalonich sagt, sie bildeten schon eine wohlorganisierte Kirche und Gemeinde, wirkt er ermuthigend und ermunternd auf sie ein.
Denn wenn er an eine Gemeinde schreibt, die schon lange Zeit gegründet, zahlreich und wohlorganisiert ist, da hat er keinen Grund, durch Hervorhebung des Titels „Kirche“ aufmunternd zu wirken, und er läßt daher denselben weg. Weil aber der Titel „Kirche“ das innige Zusammenhalten vieler Gläubigen bezeichnet und den Begriff einer fest geeinten und wohlorganisierten Gemeinde erweckt, darum verleiht der Apostel (anerkennend und aufmunternd zugleich) den Gläubigen von Thessalonike jetzt schon den Titel „Kirche und Gemeinde.“
In Gott dem Vater und dem Herrn Jesu Christo der Gemeinde zu Thessalonike, welche in Gott ist.
Beachtet hier fürs Erste, daß der Ausdruck „Gott“ gebraucht ist vom Vater und vom Sohne. Ferner sagt er: „Die Gemeinde, so da in Gott ist;“ gab es ja doch noch viele andere Genossenschaften und Gemeinden, jüdische und heidnische. Wenn man aber von einer Gemeinde sagen kann, sie sei „in Gott“, so ist das eine erhabene und ganz unvergleichliche Würde. Gebe Gott, daß man auch von unserer Gemeinde Dasselbe sagen könne! Ich muß aber fürchten, daß diese eine solche Bezeichnung noch S. 540 nicht verdiene. Denn wer noch ein Knecht der Sünde ist, von dem kann man nicht sagen, er sei „in Gott“.
Gnade euch und Friede! Wir danken Gott allezeit für euch Alle und gedenken euer in unsern Gebeten.
Habt ihr beachtet, daß der Brief gleich mit einer Belobung beginnt? Denn wenn der Apostel ihretwegen Gott Dank sagt, so gibt er zu verstehen, daß sie große Fortschritte gemacht haben, und das ist der Grund, weßhalb er sie einerseits lobt, andrerseits aber Gott, als dem Urheber alles Guten, dafür Dank sagt. Zugleich aber lehrt er sie, demüthig zu sein, indem er sie hinweist darauf, daß Alles ein Werk der göttlichen Gnade sei. Daß er wegen der Gläubigen Gott „danke“, erwähnt der Apostel, um ihnen wegen ihres löblichen Verhaltens seine Anerkennung auszudrücken; daß er für sie „bete“, theilt er ihnen mit, um sie seiner Liebe zu versichern. Hierauf erwähnt er, wie an vielen andern Stellen, daß er nicht bloß im Gebete, sondern auch außerdem ihrer gedenke, indem er sagt:
Ohne Unterlaß eingedenk euer und des Werkes eures Glaubens und der Mühen der Liebe und der Ausdauer in der Hoffnung unsers Herrn Jesu Christi vor unserm Gott und Vater.
Was will der Apostel sagen mit den Worten: „Ohne Unterlaß eingedenk“ ? Entweder: „Wir sind eingedenk vor unserm Gott und Vater,“ oder: „Wir sind eingedenk der Liebesmühe, die ihr vor unserm Gott und Vater beweiset.“
Der Apostel sagt aber nicht einfach: „Ohne Unterlaß eingedenk,“ sondern er sagt: „Eingedenk euer.“ Und damit Niemand meine, er habe dieses „euer“ ohne besondere Bedeutung hinzugesetzt, fügt er bei: „Vor unserm S. 541 Gott und Vater.“ Der Apostel hat Dieß gethan, weil kein Mensch sie wegen ihrer guten Werke lobte, Niemand sie dafür belohnte, und es ist, als ob der Apostel ihnen mit jenen Worten zurufen wollte: „Verzaget nicht! Was ihr thut und leidet, thut und leidet ihr vor Gott!“
Was ist der Sinn der Worte: „Des Werkes eures Glaubens?“
Eure Standhaftigkeit hat Nichts erschüttern können. Das ist „das Werk des Glaubens“. Glaubst du, so erdulde Alles; duldest du nicht, so glaubst du nicht. Oder ist der verheißene Lohn nicht groß genug, daß der Gläubige seinetwegen nicht gerne tausendfachen Tod erleiden sollte? Das Himmelreich, Unsterblichkeit und ewiges Leben ist der Kampfpreis. Wer also glaubt, der wird Alles erdulden. In den Werken zeigt sich demnach der Glaube. Darum hat der Apostel nicht einfach gesagt: „Ich gedenke eures Glaubens,“ sondern: „Ich gedenke der Werke eures Glaubens,“ indem er sagen wollte: „Ihr habt den Glauben auch durch eure Werke bekundet, durch eure standhafte Ausdauer, durch euren freudigen Eifer.
