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3. Weil euer Glaube immer mehr zunimmt, und die gegenseitige Liebe eines jeden von euch allen immer thätiger wird.
Wie kann der Glaube zunehmen? Er nimmt dadurch zu, daß wir Etwas für denselben leiden. Es ist zweifelsohne etwas Großes, gegen Zweifel und Einwendungen festzustehen und nicht zu wanken; bleiben wir aber auch dann standhaft, wenn die Stürme toben, wenn Regengüsse herabstürzen, wenn sich von allen Seiten Ungewitter gegen uns erheben, wenn gewaltige Wogen sich aufthürmen, dann ist es klar und deutlich, daß unser Glaube zugenommen hat und groß und stark geworden ist. Gleichwie nämlich bei einer Überschwemmung alles in der Ebene befindliche Gestein und Gesträuch schnell überfluthet ist, alles Emporragende aber von den Fluthen unberührt bleibt, so kann auch der Glaube, wenn er groß geworden, nicht mehr von den Wogen verschlungen werden. Darum sagte auch der Apostel nicht: Weil euer Glaube zunimmt, sondern: „Weil er immer mehr zunimmt, und die gegenseitige Liebe von euch allen immer thätiger wird.“ Siehst du, wie heilsam und nützlich auch das zur Zeit der Trübsal ist, daß man gegenseitig zusammenhält und sich einander anschließt? Das ist auch eine Quelle großen Trostes. Schwacher Glaube und schwache Liebe geht in der Trübsal unter, ist er aber stark, so wird er durch Trübsal und Leiden noch stärker. So gewinnt auch eine schwache Seele in der Trübsal Nichts, eine starke aber gerade dann am meisten.
S. 747 Beachtet ferner die Liebe der Gläubigen zu einander, von welcher der Apostel spricht! Sie liebten nicht etwa bloß den Einen oder Andern mit Ausschluß der Übrigen, sondern Alle in gleicher Weise. Denn das gibt der Apostel zu verstehen, wenn er sagt: „Die gegenseitige Liebe von euch allen,“ d. h. eine so gleichmäßige Liebe, wie die der Glieder eines Leibes zu einander. Allerdings findet man jetzt auch bei vielen Gläubigen Liebe, nur Schade, daß diese Liebe so oft Anlaß zu Spaltungen gibt. Denn wenn unser zwei oder drei mit einander im Bunde stehen und diese zwei oder drei oder vier fest zusammenhalten, und sich, weil sie an ihren Genossen einen Rückhalt haben und sich auf einander gegenseitig unbedingt verlassen können, von den Übrigen trennen, so ist das keine rechte Liebe, sondern eine Verletzung der Liebe. Gesetzt den Fall, das Auge würde das Wächteramt, das ihm bezüglich des ganzen Körpers obliegt, auf die Hand allein beschränken, es würde von den andern Gliedern ganz absehen und nur auf die Hand Acht geben, würde nicht dadurch der ganze Körper in Schaden kommen? Ganz gewiß. So wäre es auch, wenn wir die Liebe, die wir auf die ganze Kirche Gottes auszudehnen schuldig sind, nur etwa dem Einen oder Andern zuwenden wollten. Wir und Jene und die Gesammtheit hätten Schaden davon. Nein, das wäre keine rechte Liebe, sondern Trennung, Bruch und Spaltung! Reiße ich vom menschlichen Körper ein Stück weg, so ist das immerhin ein für sich bestehendes, zusammenhangendes, einheitliches Ganzes, aber eben doch auch wieder nur ein Stück, da es mit dem übrigen Körper nicht verbunden ist.
