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Über das Fasten, gegen die Psychiker (BKV)
2. Kap. Die Psychiker wollen bloß einige bestimmte Fasttage halten und in leichter Weise. Sie verwerfen die Stationsfasten und besonders die Xerophagien als häretische Neuerung. Tertullian verhöhnt ihre Ansichten.
Was nämlich die Fasten angeht, so halten sie uns entgegen, es seien von Gott bestimmte Tage dazu angeordnet, wie wenn im Levitikus der Herr dem Moses den zehnten des siebenten Monats als Versöhnungstag vorschreibt. „Heilig“, heißt es, „wird euch der Tag sein, und ihr werdet eure Seele kasteien, und jede Seele, welche sich an diesem Tage nicht kasteiet, wird aus dem Volke ausgerottet werden“1. Ohne Zweifel seien im S. 524Evangelium, so behaupten sie, nur diejenigen Tage zum Fasten festgesetzt, an welchen der Bräutigam hinweggenommen ist, und diese seien die einzigen gesetzmäßigen Fasttage der Christen2; denn die alten Einrichtungen des Gesetzes und der Propheten seien abgeschafft. Wo es ihnen gerade paßt, da verstehen sie ganz gut, was es heißt: „Das Gesetz und die Propheten bis auf Johannes“3. Im übrigen4 sei also, wie man es beliebe, nach freiem Ermessen zu fasten, je nach der Zeit und den Umständen eines jeden, nicht aber nach Vorschrift, wie eine neue Disziplin es wolle5. So hätten es die Apostel auch gehalten; sie hätten kein weiteres Joch bestimmter Fasten, das von allen gemeinschaftlich gehalten werden müsse, auferlegt, demnach auch keine Stationen, die zwar ihre bestimmten Tage, die Mittwoche und Freitage, haben, aber nach Belieben ihren Verlauf nehmen sollen6, nicht nach einer gesetzlichen Vorschrift und nicht über die letzte Tagesstunde hinaus, S. 525da ja auch das Gebet in der Regel mit der neunten Stunde schließe, entsprechend dem in der Apostelgeschichte berichteten Beispiele des Petrus. Die Xerophagien aber seien ein Ausdruck für eine neue und nachgeäffte Übung, die dem heidnischen Aberglauben sehr nahekomme; sie seien nach der Art jener Reinigungsriten, die den Apis, die Isis und die große Göttermutter rein machen durch Enthaltung von gewissen Speisen, während doch der in Christo freigewordene Glaube nicht einmal dem jüdischen Gesetze gegenüber zur Enthaltung von gewissen Speisen verpflichtet sei und ein für allemal der ganze Fleischmarkt vom Apostel freigegeben worden sei, der da mit seinem Abscheu belege sowohl die, welche das Heiraten verbieten, als die, welche Enthaltung von gewissen Nahrungsmitteln gebieten, die Gott erschaffen hat. Darum seien wir die schon damals im voraus Gestraften, wir „diejenigen, welche in den letzten Zeiten vom Glauben abweichen, welche den die Welt verführenden Geistern Gehör geben und ein durch die Lehren der Lügner ausgebranntes Gewissen haben“7. Ausgebrannt, sagt ihr? mit welchem Feuer denn? Etwa mit demjenigen, womit wir die wiederholten Heiraten in die Wege leiten8 und alle Tage unsere Mahlzeiten kochen?! Ebenso behaupten sie, der gegen die Galater geführte Schlag treffe auch uns, da auch wir gewisse Tage, Monate und Jahre beobachteten9. Sie schleudern uns dabei auch den Ausspruch des Isaias entgegen: „Nicht ein Fasten wie dieses hat sich der Herr auserkoren“10, d. h. keine Enthaltung von Speisen, sondern die Werke der Gerechtigkeit, die er darauf folgen läßt11, und daß der Herr selbst gegenüber aller Ängstlichkeit in Betreff der Nahrung im Evangelium die kurze Antwort gegeben habe, „nicht durch das, was in den Mund eingeht, werde der Mensch verunreinigt, sondern durch das, was aus dem Munde kommt,“12 S. 526da er auch selbst aß und trank, so daß er sogar die Zensur erhielt: „Siehe, dieser Mensch ist ein Fresser und Säufer“13. Auch der Apostel lehre, daß nicht die Speise uns Gott wohlgefällig macht, so daß wir weder einen Vorzug haben, wenn wir essen, noch einen Verlust erleiden, wenn wir nicht essen14.
Durch diese und ähnliche derartige Ideen gelangen sie mit aller Schlauheit sogar schon dahin, daß jeder seinem Bauche willfähriger wird und die Pflicht der vollständigen oder teilweisen Enthaltung von Speisen oder des auf eine spätere Zeit verschobenen Essens für überflüssig und nicht so sehr notwendig hält; denn Gott stelle ja die Werke der Gerechtigkeit und Unbescholtenheit höher. Wir kennen die Künste der Überredung zum fleischlichen Wohlleben recht gut; wir wissen, wie leicht sich sagen läßt: Es ist nur notwendig, aus ganzem Herzen im Glauben zu bekennen: Ich will Gott lieben und den Nächsten wie mich selbst; denn an diesen beiden Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten, nicht aber an der Leerheit des Magens und der Eingeweide.
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Lev. 16,29 ff.; 23,27. ↩
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Vgl. S. 371 Anm. 1. ↩
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Matth. 11,13. Luk. 16,16. ↩
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de cetero heißt hier nicht „künftighin“, sondern „im übrigen“, d. h. an allen anderen Tagen ist das Fasten und die Art des Fastens dem freien Ermessen anheim gegeben. de cetero heißt „künftighin“ nur dann, wenn von einer Zeitbestimmung die Rede ist. ↩
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non ex imperio novae disciplinae ist zu übersetzen wie oben, oder „nicht nach einer neuen Disziplin, die es zur Vorschrift machen will“. Die Neuerung der Disziplin bestand gerade darin, daß sie das Fasten auch an anderen Tagen zur Vorschrift machen wollte. Zum Gebrauch des Genitivs vgl. Hoppe 18. – Der Zusatz pro temporibus et causis uniuscuiusque gehört zu ex arbitrio und darf nicht zu ex imperio novae disciplinae gezogen werden. ↩
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passive tamen currant wird falsch übersetzt „doch sollen sie als Fasttage verlaufen wie gewöhnlich“. passive heißt hier, man kann sie nach Belieben bald so, bald so, einrichten. Vgl. de monog. 6 : Non passivus tibi census est in illo (sc. Abraham); du kannst deinen Ursprung aus Abraham nicht beliebig, bald so, bald so, ansetzen. Nach der katholischen Praxis war also das Fasten an Stationstagen dem freien Ermessen überlassen, ferner konnte man sie strenger oder milder einrichten, sie schließen, wann man wollte, nur sollte man die Mittwoche und Freitage wählen, und sie nicht über die neunte Stunde (3 Uhr nachmittags) ausdehnen. ↩
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1 Tim. 4,1 ff. ↩
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Vgl. hierzu de monog. 16 am Anfang. ↩
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Gal. 4,10. ↩
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Is. 58,4. ↩
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Ebd. V. 6 u. 7. ↩
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Mark. 7,15. ↩
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Matth. 11,19. ↩
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1 Kor. 8,8. ↩
Edition
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De ieiunio adversus Psychicos
II.
1. Nam quod ad ieiunia pertineat, certos dies a deo constitutos opponunt, ut cum in Leuitico praecipit dominus Moysi decimam mensis septimi diem placationis, sancta, inquiens, erit uobis dies, et uexabitis animas uestras, et omnis anima, quae uexata non fuerit in illa die, exterminabitur de populo suo. 2. Certe in euangelio illos dies ieiuniis determinatos putant, in quibus ablatus est sponsus, et hos esse iam solos legitimos ieiuniorum Christianorum abolitis legalibus et propheticis uetustatibus. Vbi uolunt enim, adgnoscunt quid sapiat lex et prophetae usque ad Iohannem. 3. Itaque de cetero indifferenter ieiunandum ex arbitrio, non ex imperio nouae disciplinae, pro temporibus et causis uniuscuiusque; sic et apostolos obseruasse, nullum aliud imponentes iugum certorum et in commune omnibus obeundorum ieiuniorum, proinde nec stationum, quae et ipsae suos quidem dies habeant quartae feriae et sextae, passiue tamen currant, neque sub lege praecepti neque ultra supremam diei, quando et orationes fere hora nona concludat de Petri exemplo, quod Actis refertur. 4. Xerophagias uero nouum adfectati officii nomen et proximum ethnicae superstitioni, quales castimoniae Apim, Isidem et Magnam Matrem certorum eduliorum exceptione purificant, cum fides libera in Christo ne Iudaicae quidem legi abstinentiam quorundam ciborum debeat, semel in totum macellum ab apostolo admissa, detestatore eorum qui sicut nubere prohibeant, ita iubeant cibis abstinere a deo conditis. 5. Et ideo non esse iam tunc praenotatos in nouissimis temporibus abscedentes a fide, intendentes spiritibus mundi seductoribus, doctrinis mendaciloquorum inustam habentes conscientiam. Quibus, oro te, ignibus? Credo, quibus nuptias saepe deducimus et cenas quotidie coquimus? 6. Sic et cum Galatis nos quoque percuti aiunt obseruatores dierum et mensium et annorum. Iaculantur interea et Esaiam pronuntiasse: non tale ieiunium dominus elegit, id est non abstinentiam cibi, sed opera iustitiae, quae subtexit; et ipsum dominum in euangelio ad omnem circa uictum scrupulositatem compendio respondisse, non his communicari hominem quae in os inferantur, sed quae ex ore proferantur, cum et ipse manducaret et biberet usque in notationem: ecce homo uorator et potator! 7. Sic et apostolum docere, quod esca nos deo non commendet, neque abundantes, si edamus, neque deficientes, si non edamus. His et huiusmodi sensibus eo iam subtiliter tendunt, ut unusquisque pronior uentri possit superuacua nec adeo necessaria existimare sublati uel deminuti uel demorati cibi officia, praeponente scilicet deo iustitiae et innocentiae opera. 8. Et scimus, quales sint carnalium commodorum suasoriae, quam facile dicatur: opus est de totis praecordiis credam, diligam deum et proximum tamquam me. In his enim duobus praeceptis tota lex pendet et prophetae, non in pulmonum et intestinorum meorum inanitate.