Edition
Hide
De Testimonio Animae
V.
[1] Haec testimonia animae quanto uera, tanto simplicia, quanto simplicia, tanto uulgaria, quanto uulgaria, tanto communia, quanto communia, tanto naturalia, quanto naturalia, tanto diuina. Non puto cuiquam friuola et ridicula uideri posse, si recogitet naturae maiestatem, ex qua censetur auctoritas animae. Quantum dederis magistrae, tantum adiudicabis discipulae. Magistra natura, anima discipula. Quicquid aut illa edocuit aut ista perdidicit, a deo traditum est, magistro scilicet ipsius magistrae. [2] Quid anima possit de principali institutore praesumere, in te est aestimare de ea quae in te est. Senti illam quae ut sentias efficit. Recogita in praesagiis uatem, in ominibus augurem, in euentibus prospicem. Mirum, si a deo data homini nouit diuinare? Tam mirum, si eum, a quo data est, nouit. Etiam circumuenta ab aduersario meminit sui auctoris et bonitatis et decreti eius et exitus sui et aduersarii ipsius. Sic mirum, si a deo data eadem canit quae deus suis dedit nosse? [3] Sed qui eiusmodi eruptiones animae non putauit doctrinam esse naturae et congenitae et ingenitae conscientiae tacita commissa, dicet potius diuentilatis in uulgus opinionibus publicatarum litterarum usum iam et quasi uitium corroboratum taliter sermocinandi. [4] Certe prior anima quam littera et prior sermo quam liber et prior sensus quam stilus et prior homo ipse quam philosophus et poeta. Numquid ergo credendum est ante litteraturam et diuulgationem eius mutos ab huiusmodi pronuntiationibus homines uixisse? Nemo deum et bonitatem eius, nemo mortem, nemo inferos loquebatur? [5] Mendicabat sermo, opinor, immo nec ullus esse poterat, cessantibus etiam tunc sine quibus etiam hodie beatior et locupletior et prudentior esse non potest, si ea, quae tam facilia, tam assidua, tam proxima hodie sunt, in ipsis quodammodo labiis parta, retro non fuerunt, antequam litterae in saeculo germinassent, antequam Mercurius, opinor, natus fuisset. [6] Et unde, oro, ipsis litteris contigit nosse et in usum loquellae disseminare quae nulla umquam mens conceperat aut lingua protulerat aut auris exceperat? At enim cum diuinae scripturae, quae penes nos uel Iudaeos sunt, in quorum oleastro insiti sumus, multo saecularibus litteris, quarum uel modica tantum aetate aliqua, antecedant, ut loco suo edocuimus ad fidem earum demonstrandam , et si haec eloquia de litteris usurpauit anima, utique de nostris credendum erit, non de uestris, quia potiora sunt ad instruendam animam priora quam postera, quae et ipsa a prioribus instrui sustinebant, cum, etsi de uestris instructam concedamus, ad originem tamen principalem traditio pertineat, nostrumque omnino sit quodcumque de nostris sumsisse et tradidisse contigit uobis. [7] Quod cum ita sit, uon multum refert, a deo formata sit animae conscientia an litteris dei. Quid igitur uis, homo, de humanis sententiis litterarum tuarum exisse haec in usus communis callositatem?
Translation
Hide
Das Zeugnis der Seele (BKV)
5. Kap. Diese Zeugnisse sind als Stimme der Natur und ihres Urhebers, Gottes, anzusehen und nicht als Folge literarischer Bildung; wenn aber dieses, so wären sie eine Folge der heiligen Literatur, nicht der profanen.
Diese Zeugnisse der Seele sind ebenso wahr als einfach, ebenso einfach als alltäglich, ebenso alltäglich als allgemein, ebenso allgemein als natürlich, ebenso natürlich als göttlich. Ich möchte nicht glauben, daß es jemandem wertlos und frostig vorkommen wird, wenn er die Erhabenheit der Natur erwägt, wonach ja die Autorität der Seele abzuschätzen ist. Gerade soviel als du der Lehrerin gibst, wirst du der Schülerin zuerkennen; Lehrerin ist die Natur, Schülerin die Seele. Alles, was jene gelehrt und diese gelernt hat, ist von Gott gekommen als dem Lehrmeister auch der Lehrerin. Was die Seele in betreff ihres höchsten Lehrers zu ahnen imstande sei, das zu beurteilen ist an dir nach Maßgabe derjenigen, die in dir ist. Lerne sie wahrnehmen, sie, die bewirkt, daß du wahrnimmst; beobachte sie, die in Vorempfindungen eine Seherin, bei Vorzeichen eine Prophetin ist und bei Ereignissen eine Vorahnung hat. Ist es ein Wunder, wenn sie, von Gott dem Menschen gegeben, göttlicher Ahnungen fähig ist? Ist es wirklich ein so großes Wunder, wenn sie den, von welchem sie gegeben ist, kennt? Sogar vom Widersacher betrogen, S. 212bewahrt sie ja noch die Erinnerung an ihren Urheber, seine Güte, seinen Ratschluß, ihren Ausgang und ihren Widersacher, So wenig wunderbar ist es, wenn sie, von Gott gegeben, das kundtut, was Gott den Seinigen zu wissen gegeben hat!
Jedoch wer solche Kundgebungen der Seele nicht für die Lehre der Natur und die geheime Hinterlage des mitgeborenen und angeborenen Wissens hält, der wird dann wohl lieber behaupten wollen, daß diese Gewohnheit, oder dann richtiger gesprochen diese Unsitte, durch in das Volk gedrungene Ideen solcher Schriften, die Gemeingut geworden, an Stärke zugenommen habe, - Jedenfalls war die Seele vor der Schrift da, die Sprache vor dem Buche, der Gedanke vor dem Griffel, der Mensch an sich vor dem Philosophen und Dichter. Ist also etwa zu glauben, daß die Menschen vor dem Entstehen der Büchergelehrsamkeit und deren Verbreitung unter das Volk stumm ohne derartige Ausdrücke gelebt hätten? Sollte damals niemand von Gott und seiner Güte, niemand vom Tode, niemand von der Unterwelt geredet haben? Die Sprache wäre dann schier bettelhaft arm gewesen, oder konnte richtiger gar keine sein, indem ihr das noch fehlte, ohne welches sie heute, obwohl schon vollkommener, reicher und gebildeter, nicht zu existieren vermag, wenn nämlich das, was heute so einfach, so regelmäßig, so naheliegend ist und gleichsam auf den Lippen selbst entsteht, nicht früher vorhanden war, bevor die Wissenschaften in der Welt aufgesproßt, bevor Merkur, meine ich, geboren war. Und wodurch kamen die Wissenschaften selbst in die glückliche Lage, das zu kennen und als allgemeinen Sprachgebrauch zu verbreiten, was noch kein Geist jemals empfangen, keine Zunge ausgesprochen und kein Ohr vernommen hatte? Aber freilich, da die heiligen Bücher, die bei uns oder bei den Juden zu finden sind, auf die wie auf ein wildes Reis wir eingepfropft sind1, um vieles und nicht bloß um einen geringen Zeitraum älter sind als die profanen Schriften, - wie wir seines Ortes2, um ihre S. 213Glaubhaftigkeit nachzuweisen, gelehrt haben, - wenn also die Seele jene Ausdrücke sich aus Büchern angeeignet hat, - dann vermutlicherweise jedenfalls aus unseren, nicht aus den Eurigen, Denn das Frühere ist doch wohl geeigneter für die Unterweisung der Seele als das Spätere, welches sich ja selbst erst den Unterricht durch das Frühere gefallen lassen mußte. Auch wenn wir zugeben wollten, daß die Seele ihre Belehrung aus Euern Schriften geschöpft habe, so würde die Überlieferung doch noch zu ihrem eigentlichen Ursprung hinanreichen und was Ihr vom Unserigen zu entlehnen und weiter zu überliefern so glücklich gewesen seid, uns ganz angehören. Demzufolge macht es keinen großen Unterschied, ob das Wissen der Seele durch Gott formiert ist oder durch die göttlichen Schriften. Warum, o Mensch, verlangst du, daß dieseDinge erst von den menschlichen Meinungen deiner Schriften ihren Ausgang zum feststehenden allgemeinen Sprachgebrauch genommen haben sollen?