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Leben des heiligen Bekennerbischofs Martinus von Tours (BKV)
1.
Manche1 , die ganz in Wissenschaft und eitlem Weltruhm aufgingen, vermeinten dadurch, daß sie das Leben berühmter Männer mit ihrer Feder verherrlichten, unvergängliches Andenken für ihren Namen zu erringen. Dieses Bestreben brachte ihnen aber die erwarteten Lorbeeren nicht dauernd, sondern nur für kurze Zeit. Allerdings sorgten sie so, wenn auch nicht bleibend, für ihren Nachruhm und riefen damit auch bei den Lesern durch das Beispiel der großen Männer nicht geringen Wetteifer wach. Indes diese ihre geschäftige Sorge trug nichts ein für das selige Leben in der Ewigkeit. Was nützte ihnen denn auch der Ruhm, den sie mit ihren Schriften ernteten, da er ja mit der Welt vergehen wird? Was hat die Nachwelt davon, S. 19wenn sie von den Kämpfen Hektors und den philosophischen Disputationen des Sokrates liest? Ist es doch nicht bloß Torheit, sie nachzuahmen, sondern schon ein Zeichen von Unverstand, ihre entschiedene Bekämpfung zu unterlassen. Sie messen ja das menschliche Leben nur mit dem Maßstab der Gegenwart, setzen ihre Hoffnung auf Trugbilder und stürzen ihre Seele ins Grab. Sie vermeinten sich bloß im Andenken der Menschen verewigen zu müssen, und doch ist es Aufgabe des Menschen, eher ewiges Leben als ewiges Andenken zu erstreben, nicht durch Schriftstellern oder durch Heldenkämpfe oder Philosophenunterredungen, sondern durch ein frommes, heiliges, gottgefälliges Leben. Dieser menschliche Irrtum hat, einmal zu Papier gekommen, mächtig um sich gegriffen, und jetzt gibt es gar viele leidenschaftliche Anhänger der eitlen Philosophie oder dieses törichten Heldentums. Darum glaube ich ein lohnendes Werk2 in Angriff zu nehmen, wenn ich das Leben des gar heiligen Mannes beschreibe, das andern bald zum Vorbild dienen soll. Die Leser sollen dadurch zu weiser Lebensführung, zu himmlischem Kriegsdienst und göttlichem Tugendstreben kräftig angespornt werden. Hierbei rechne ich auch auf meinen eigenen Vorteil3 ; ich erwarte aber nicht vergängliches Andenken bei den Menschen, sondern ewige Belohnung bei Gott. Denn wenn ich gleich selbst kein vorbildliches Leben geführt habe, trug ich doch Sorge, daß ein nachahmenswertes Leben nicht im verborgenen blieb. So will ich damit beginnen, das Leben des hl. Martinus zu erzählen, sein Leben vor seiner Erwählung zum Bischof, wie als Bischof zu beschreiben. Allerdings konnte ich nicht alle Einzelheiten aus seinem Leben in Erfahrung bringen; denn das, wobei er allein Zeuge war, entzieht sich unserer Kenntnis; er suchte ja nie Menschenlob; und, wäre es auf ihn angekommen, er hätte alle seine Wunderwerke verborgen. Indes, ich habe auch von dem, was S. 20zu meiner Kenntnis gekommen ist, manches übergangen, da ich glaubte, es sei genug, wenn nur das Wichtigere aufgezeichnet werde. Ich mußte zugleich auch auf die Leser Rücksicht nehmen, damit sie die Stoffülle nicht langweile. An meine Leser richte ich aber die Bitte, sie möchten meiner Erzählung Glauben schenken und davon überzeugt sein, daß ich nur Sicheres und Zuverlässiges niedergeschrieben habe; andernfalls hätte ich es vorgezogen, zu schweigen, statt Unsicheres zu berichten.
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Vita Sancti Martini
1.
(1) Plerique mortales studio et gloriae saeculari inaniter deditiio exinde perennem, ut putabant, memoriam nominis sui quaesierunt, si uitas clarorum uirorum stilo inlustrassent. (2) Quae res utique non perennem quidem, sed aliquantulum tamen conceptae spei fructum adferebat, quia et suam memoriam, licet incassum, propagabant, et propositis magnorum uirorum exemplis non parua aemulatio legentibus excitabatur. Sed tamen nihil ad beatam illam aeternamque uitam haec eorum cura pertinuit. (3) Quid enim aut ipsis occasura cum saeculo scriptorum suorum gloria profuit? Aut quid posteritas emolumenti tulit legendo Hectorem pugnantem aut Socraten philosophantem? Cum eos non solum imitari stultitia sit, sed non acerrime etiam inpugnare dementia: quippe qui humanam uitam praesentibus tantum actibus aestimantes spes suas fabulis, animas sepulcris dederint: (4) siquidem ad solam hominum memoriam se perpetuandos crediderunt, cum hominis officium sit, perennem potius uitam quam perennem memoriam quaerere, non scribendo aut pugnando uel philosophando, sed pie sancte religioseque uiuendo. (5) Qui quidem error humanus litteris traditus in tantum ualuit, ut multos plane aemulos uel inanis philosophiae uel stultae illius uirtutis inuenerit. (6) Unde facturus mihi operae pretium uideor, si uitam sanctissimi uiri, exemplo aliis mox futuram, perscripsero: quo utique ad ueram sapientiam et caelestem militiam diuinamque uirtutem legentes incitabuntur. In quo ita nostri quoque rationem commodi ducimus,ut non inanem ab hominibus memoriam, sed aeternum a Deo praemium exspectemus, quia etsi ipsi non ita uiximus, ut exemplo aliis esse possimus, dedimus tamen operam, ne is lateret qui esset imitandus. (7) Igitur sancti Martini uitam scribere exordiar, ut se uel ante episcopatum uel in episcopatu gesserit, quamuis nequaquam ad omnia illius potuerim peruenire: adeo ea, in quibus ipse tantum sibi conscius fuit, nesciuntur, quia laudem ab hominibus non requirens, quantum in ipso fuit, omnes uirtutes suas latere uoluisset. (8) Quamquam etiam ex his, quae conperta nobis erant, plura omisimus, quia sufficere credidimus, si tantum excellentia notarentnr: simul et legentibus consulendum fuit, ne quod his pareret copia congesta fastidium. (9) Obsecro autem eos qui lecturi sunt, ut fidem dictis adhibeant, neque me quicquam nisi conpertum et probatum scripsisse arbitrentur: alioquin tacere quam falsa dicere maluissem.