Translation
Hide
Leben des heiligen Bekennerbischofs Martinus von Tours (BKV)
4.
Unterdessen waren Barbaren in Gallien1 S. 24eingebrochen. Kaiser Julian zog bei der Stadt der Vangionen2 ein Heer zusammen und begann damit, Geldgeschenke unter die Soldaten zu verteilen. Dabei wurde nach der Gewohnheit jeder Soldat einzeln vorgerufen. So kam die Reihe auch an Martinus. Jetzt hielt dieser den Zeitpunkt für günstig, seine Entlassung zu erbitten. Er war nämlich der Ansicht, er habe keine freie Hand mehr, falls er das Geschenk in Empfang nehme, ohne weiter dienen zu wollen. Deshalb sprach er zum Kaiser: „Bis heute habe ich dir gedient; gestatte nun, daß ich jetzt Gott diene. Dein Geschenk mag in Empfang nehmen, wer in die Schlacht ziehen will. Ich bin ein Soldat Christi, es ist mir nicht erlaubt, zu kämpfen“3 . Wutschnaubend ob dieser Rede, gab der Tyrann zur Antwort, er wolle sich nur aus Angst vor der S. 25Schlacht, die für den andern Tag zu erwarten war, nicht um seines Glaubens willen dem Kriegsdienst entziehen. Doch Martinus blieb unerschrocken, ja der Versuch, ihn einzuschüchtern, machte ihn nur noch fester. So sprach er: „Will man meinen Entschluß der Feigheit und nicht der Glaubenstreue zuschreiben, dann bin ich bereit, mich morgen ohne Waffen vor die Schlachtreihe zu stellen und im Namen des Herrn Jesus mit dem Zeichen des Kreuzes, ohne Schild und Helm, furchtlos die feindlichen Reihen zu durchbrechen“. Man ließ ihn also in Gewahrsam halten, damit er sein Wort wahr mache und sich waffenlos den Barbaren entgegenstelle. Am nächsten Tage schickten die Feinde Gesandte zu Friedensverhandlungen und ergaben sich mit Hab und Gut. Zweifellos war dieser Sieg dem heiligen Mann zu verdanken. Die Gnade verhütete, daß er sich wehrlos zum Kampfe stellen mußte. Gott hätte in seiner Güte seinen Streiter freilich auch inmitten der feindlichen Schwerter und Geschosse unversehrt erhalten können. Aber um das Auge des Heiligen auch nicht durch den Tod anderer zu verletzen, ließ Gott es nicht zum Kampfe kommen. Wenn die Feinde sich ohne Blutvergießen unterwarfen und so kein Menschenleben verloren ging, so hatte Christus es nicht notwendig, für seinen Streiter einen anderen Sieg zu wirken.
-
Gallias, bei der Neuordnung der römischen Provinzen unter Diokletian wurde das Reich in 13 Diözesen eingeteilt, davon fielen auf Gallien zwei, die dioecesis Galliarum und d. Viennensis. Diese beiden Diözesen zerfielen in 15, von der 2. Hälfte des 4. Jahrhunderts an in 17 Provinzen. An der Spitze einer Diözese stand ein Vioarius [praefecti praetorio] d. h. ein Stellvertreter des Praefectus praetorio, an der Spitze einer Provinz ein Statthalter [Legat des Kaisers] mit dem Titel consularis oder proconsul oder propraetor. Die Präfekten [praefeotus praetorio] hatten seit Konstantin keine militärische Bedeutung mehr; es gab im 4. Jahrhundert 4 Präfekten, einer war in Gallien [Trier], einer in Italien, einer im Orient und einer in Ulyrien; sie hatten die Oberaufsicht über mehrere Diözesen. Der Com es wurde vom Kaiser für außerordentliche Fälle [z. B. bei Appellationen usw.] in einzelne Diözesen gesandt. ↩
-
Dem heutigen Worms; es handelte sich dabei um den Einfall der Alemannen, die am Oberrhein siegreich ins römische Gebiet eindrangen. Julian, der im Jahr 355 Cäsar und Oberbefehlshaber von Gallien geworden war, bekämpfte sie mit Erfolg im Jahr 356 und 357. Der erzählte Vorfall muß ins Jahr 366 verlegt werden ↩
-
In den ersten christlichen Jahrhunderten findet man vielfach [z. B. bei Tertullian, Laktanz, Testam. Domini ed. Rahmani II, 2] die Ansicht vertreten, als vertrage sich der Militärdienst nicht mit dam Beruf des Christen, und zwar nicht bloß wegen der Gefahr, sich an offiziellen, heidnischen Opfern beteiligen zu müssen, sondern auch wegen der Anschauung, als sei für einen Christen jedes Blutvergießen verboten. Das Verhalten des heiligen Martin entspricht genau dem 74. Kanon des Hippolyt. Ähnlich handelte auch Victricius von Roueu [Paulin Ep. XVIII, 7]. Zum Ausspruch des heiligen Martin s. E. Vacandard, Etudés de critique et d'histoire réligieuses, II Serie [Paris 1910] App. II, 253/63 ↩
Edition
Hide
Vita Sancti Martini
4.
(1) Interea inruentibus intra Gallias barbaris Iulianus Caesar coacto in unum exercitu apud Vangionum ciuitatem donatiuum coepit erogare militibus, et, ut est consuetudinis, singuli citabantur, donec ad Martinum uentum est. (2) Tum uero oportunum tempus existimans, quo peteret missionem – neque enim integrum sibi fore arbitrabatur, si donatiuum non militaturus acciperet –, hactenus, inquit ad Caesarem, militaui tibi: (3) patere ut nunc militem Deo: donatiuum tuum pugnaturus accipiat, Christi ego miles sum: pugnare mihi non licet. (4) Tum uero aduersus hanc uocem tyrannus infremuit dicens, eum metu pugnae, quae postero die erat futura, non religionis gratia detractare militiam. (5) At Martinus intrepidus, immo inlato sibi terrore constantior, si hoc, inquit, ignauiae adscribitur, non fidei, crastina die ante aciem inermis adstabo et in nomine Domini Iesu, signo crucis, non clipeo protectus aut galea, hostium cuneos penetrabo securus. (6) Retrudi ergo in custodiam iubetur, facturus fidem dictis, ut inermis barbaris obiceretur. (7) Postero die hostes legatos de pace miserunt, sua omnia seque dedentes. Unde quis dubitet hanc uere beati uiri fuisse uictoriam, cui praestitum sit, ne inermis ad proelium mitteretur. (8) Et quamuis pius Dominus seruare militem suum licet inter hostium gladios et tela potuisset, tamen ne uel aliorum mortibus sancti uiolarentur obtutus, exemit pugnae necessitatem. Neque enim aliam pro milite suo Christus debuit praestare uictoriam, quam ut subactis sine sanguine hostibus nemo moreretur.