3.
Konstantin ward ein neuer Urheber drückender Staatsübel durch seine neuen und verderblichen Anordnungen, welche dem Staate die tödtlichsten Wunden schlugen. Dieses geschahe nicht durch die Zernichtung der Prätorianer, wie einige Neuere wähnten; weswegen Zosimus dieselbe auch ohne Lob und ohne Tadel anführet;1 sondern weil er, unbekümmert um die Sicherheit der Gränzen, die an denselben postirt gewesenen Soldaten in die Städte, welche mitten in den Provinzen lagen, verlegte.2 Dadurch streute er, nach Zosimus Urtheil, den Saamen aus von allem folgenden Elende. Denn durch diese Unvorsichtigkeit S. 7 des Kaisers gewannen die Barbaren nicht allein mehr Freiheit für ihre feindlichen Einbrüche, sondern, was von noch schädlicherm Einflusse war, die Soldaten wurden in den Städten, welche ihrer Besatzung nicht bedurften, weichlich, wollüstig und von der harten Kriegszucht entwöhnt, als welche ihnen verhaßt wurde. Verderbnis und Ungebundenheit des Kriegsstandes vermehrte Konstantin noch durch eine andere Einrichtung: daß er nämlich die Zahl der Prätorischen Präfekten vermehrte und die vorhin in ihrem Amte vereinigte Civil- und Militärgewalt in mehrere Zweige vertheilte, und überdieß den Prätorischen Präfekten alle Macht über den Kriegsstand entzog. Denn dieses ward Ursache, daß die Soldaten, welche vorher die Prätorischen Präfekte fürchteten, weil sie durch Vorenthaltung des Soldes sie strafen und im Zaume halten konnten, ausschweifend sich betrugen.3 So wie Konstantin durch nachtheilige Einrichtungen im Kriegswesen den Staat größter Gefahr aussezte, so drückte er durch harte, allen Ständen und Geschlechtern beschwerliche Auflagen die Provinzen, welche durch die Willkühr der Schatzkammer, die Härte der Einforderung, Habsucht der Finanzbedienten, erschöpft und bis in die äußerste Armuth gebracht wurden.4 Diesen Ursachen fügte Zosimus noch hinzu den Abfall Konstantins von der väterlichen Religion, kraft welcher, seiner Meinung nach, die Wohlfart und das Glück des Staats so viele Jahrhunderte5 S. 8 unerschüttert geblieben war, und die Annahme des Christenthums,6 wodurch er die Römer um den Schutz der Götter brachte.7 Wenn niemand in diesem lezten Punkte Zosimus Beifall geben kann, so wird man doch nicht ungeneigt seyn, denselben in seiner harten Behauptung einigermaßen zu entschuldigen, weil das Christenthum, wie Zosimus im Aeußern dasselbe mit den ärgerlichen Streitigkeiten und ausschweifenden Mönchen8 sah, damals für den Staatsmann wohl minder Empfehlendes hatte, als jetzo die gereinigte Religion, ganz nach dem Sinne ihres göttlichen Urhebers. Daß die Gebote des Christenthums nachtheiligen Einfluß auf den Muth der Soldaten und auf Tapferkeit im Kriege gehabt, wie manche glauben, sagt Zosimus nirgends deutlich; vielleicht deutet er darauf im dritten Kapitel des dritten Buchs; dagegen bemerket er ausdrücklich das Verderbliche des Verbotes, wodurch den Heiden der Soldatenstand untersagt worden.9
Zwar machten Julians und Valentinians10 Tapferkeit und Sorge für das Kriegswesen die von Konstantin dem Staate geschlagene Wunden minder fühlbar, und hielten die im Verborgenen schleichende Gewalt und den Ausbruch des Uebels, wozu Konstantin den Saamen ausgestreuet hatte, noch einige S. 9 Zeit zurücke, bis Theodosius, welcher die Römer zuerst durch seine Tapferkeit rettete, in der Folge durch schädliche und verderbliche Anordnungen im Kriegswesen, üppiges Leben, und wie Zosimus wähnt, durch Haß der heidnischen und Zuneigung der christlichen Religion,11 Zerstörer des Staats wurde. Im Kriegswesen fehlte er, daß er fünf Häupter des Kriegswesens (magistros militiae) bestellte und die Zahl der übrigen Kriegsobrigkeiten, um mehr als das Zwiefache vermehrte, wodurch er nur noch mehr Habsüchtige schuf, durch deren Betrug der Soldat an dem verkürzt wurde, was ihm der Fiscus reichte.12 Am verderblichsten wurde dem Kriegswesen die ungeheure Menge Barbaren, welchen Theodosius Unterhalt verabreichen und sie unter die Legionen aufnehmen ließ. Denn ihre Zahl war so groß, daß sie der geringern Zahl von Römern Furcht einjagen und leichtlich die Ruhe des Staats stören konnten.13 Die Barbaren, welche unter den Römischen Heeren Kriegsdienste thaten, waren entweder aus Gefangenen oder aus Feinden dazu aufgenommen, wurden durch Getraideaustheilungen und Geschenke, welche sie vor den übrigen Soldaten zum Voraus erhielten, ausschweifender und unbändiger;14 überdieses auch in so nachlässiger Zucht gehalten, daß, ohne regelmäßige Musterung, sie nach Hause zurückekehren, oder wenn ihnen der Kriegsdienst nicht gefiel, andere an ihre S. 10 Stelle schicken konnten.15 Diese an keine Kriegszucht gewöhnte Barbaren, waren stolz, zu Aufruhr geneigt,16 konnten sich mit den Römern nicht vertragen,17 scheuten sich nicht, mit ihren in Römischem Gebiet wohnenden Landsleuten verrätherische Einverständnisse zu unterhalten, und, wenn sie am Hofe große Ehrenämter erhalten hatten, die Römer, welchen sie an Tapferkeit überlegen waren, zu verachten, ja Unruhe und Verwirrungen anzuspinnen.18 Solche Leute, welche den Römern mehr Verderben als Schutz brachten, und mit Habsucht nach deren Reichthümern strebten, mußten, da sie unter die beim Regierungsantritt des Theodosius sehr geschwächten Heere aufgenommen wurden, den Staat zu schützen, vielmehr das Reich in die größte Gefahr stürzen, sobald nur einem Kaiser es an Kraft und Nachdruck fehlte, ihr unbändiges Wesen zu zügeln. Und daran fehlte es den Söhnen des Theodosius, dessen Nachfolgern. Endlich drückte eben dieser Kaiser die Bürger durch harte Auflagen und deren drückende Einforderung; was die Plünderung der Barbaren den Provinzen übrig gelassen hatte, nahm er für sich hinweg,19 damit er nicht nur den Barbaren ihren Sold bezahlen, sondern auch seinen unmäßigen Vergnügungen nachhängen konnte. Denn er verwendete unmäßige Summen auf seine Tafel20 und auf S. 11 wohllüstige Schauspiele,21 welches als eine Pest sich weiter ausbreitete. Die Provinzen fanden sich durch die mit äußerster Strenge erhobenen Auflagen,22 durch die feile Gerechtigkeit, durch die Habsucht ihrer Obrigkeiten23 an Geld und Menschen erschöpft und in so übler Lage, daß einige Gegenden menschenleer waren, in andern den Einwohnern selbst das Leben eine Last ward.24
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2, 17. ↩
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2, 34. ↩
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2, 33. ↩
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2, 38. ↩
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2, 7. 29. ↩
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4, 59. ↩
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4, 33. 37. ↩
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5, 23. ↩
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5, 46. ↩
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3, 3; 6, 3; 4, 3. ↩
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4, 59. ↩
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4, 27. ↩
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4, 30. ↩
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4, 39. 34. 40. 33. ↩
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4, 31. ↩
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4, 30. 33. 39. 56. ↩
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5, 31. ↩
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4, 54. 56. ↩
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4, 29. ↩
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4, 28. 50. ↩
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4, 33. 50; 5, 7. 25; vergl. mit 4, 33. ↩
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4, 41. 32. ↩
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4, 28. 37. 40. ↩
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4, 29. ↩
