4. Ueber die Meinungsverschiedenheit der Schriftsteller bezüglich des Adam und der andern Patriarchen.
In Bezug auf die Wurzel, oder wenn Jemand es lieber sagt, die Spitze des ganzen Menschengeschlechtes musste ich in kurzen Worten angeben, warum die andern Schriftsteller, ich meine den Berosus, Polyhistor und Abydenus, nicht einstimmig ein und dieselbe dem heiligen Geiste entgegengesetzte Ansicht darüber gehabt haben, auch warum nicht über den Erbauer der Arche und die anderen Patriarchen, nicht allein was Namen und Zeit, sondern auch die Beschreibung der Anfänge der Menschheit im Vergleiche mit der unserigen angeht. Abydenus sagt über den Erbauer der Arche: „Ihn hat der für Alles sorgende Gott zum Hirten und Leiter des Volkes gemacht,‟ und darauf: «Alorus herrschte 10 Saren, ‟ welche 36,000 Jahre ausmachen. Auf ähnliche Weise bedienen sie sich in Betreff des Noe anderer Namen und rechnen mit unendlichen Zeiträumen, obgleich sie bezüglich der Sündfluth und der Verwüstung der Erde mit den Worten des heiligen Geistes übereinstimmen. Ebenso rechnen sie die Zahl der Patriarchen mit Einschluss des Xisuthr auf zehn. Dabei entfernen sie sich einerseits von unserer, besonders auch von der göttlichen Jahresberechnung, insofern ein Jahr fiir uns durch den in vier Jahreszeiten sich vollziehenden Kreislauf der Sonne entsteht, andererseits zählen sie nicht, wie die Egyptier, die Monderscheinungen; sie erwägen auch nicht durch Zusammenstellung der sogenannten Götterjahre, wenn Jemand sie für S. 7 Jahre halten will, die schrecklichen aus den Zahlen selbst sich ergebenden Einwürfe, um sich so der Wahrheit zu versichern, sammeln im Gegentheil bald eine kleine bald eine grosse Masse von Zahlen an.
Ich betrachte es hier als Gesetz für mich, ihre Meinungen darzulegen und niederzuschreiben was ein Jeder von ihnen gedacht hat. Dieses aber wegen der Ausdehnung des vorliegenden Werkes einer andern Gelegenheit und Zeit überlassend werde ich hier kurz sein, indem ich mit demjenigen beginne, von dessen Richtigkeit ich überzeugt bin.
Adam ist das erste Geschöpf; im Alter von 230 Jahren zeugte er den Seth, Seth im Alter von 205 Jahren den Enos. Von Seth rühren die zwei Inschriften auf den zwei Säulen her, wie Josephus sagt, obgleich unbekannt ist, wo sie stehen. Enos war der erste, welcher Gott zu nennen hoffte.
Warum nun und aus welcher Ursache wird dieser der erste genannt, der Gott nannte, und wie ist das Nennen zu verstehen? Adam ist in Wahrheit ein Geschöpf Gottes und hat, wie man
sagt, aus dem Munde Gottes den Befehl empfangen, wird aber auch, nachdem er gesündigt und sich verborgen hat, von Gott und von keinem Andern gefragt: „Wo bist du? So hört er auch das Strafurtheil aus seinem Munde. Darauf bringt Abel welcher Gott befreundet und bekannt war, ein Geschenk und wird gut aufgenommen.
Da nun diese sich so der Freundschaft und Bekanntschaft Gottes erfreuen, warum wird denn von Enos gesagt, dass er Gott zuerst und zwar mit Hoffnung genannt habe? Die andern Reflexionen über ihn werde ich für einen mir gelegenen Ort aufbewahren und nur mittheilen, was gerade unter der Hand bereit liegt.
Der erste Mensch wurde bei der Uebertretung ertappt und aus dem Paradiese und vom Angesichte Gottes wegen seiner Bosheit, wie gesagt, verbannt. Nachher wird der Gott am meisten von den Söhnen Adams befreundete von seinem eigenen Bruder getödtet. Da nach dieser That kein göttliches Wort und keine Offenbarung mehr kommt, so wird das Menschengeschlecht S. 8 dem Zweifel und der Verzweiflung preisgegeben; dazu werden seine Werke thatsächlich selbstgefällig. Mitten unter diesen nennt jener voll Hoffnung und im Stande der Gerechtigkeit Gott. Doch das Nennen hat doppelte Bedeutung; es heisst sowohl etwas gleichsam Vergessenes nennen als auch um Hilfe anrufen. Gott wie etwas Vergessenes nennen passt nicht; denn inzwischen sind nicht viele Jahre verflossen, welche bei ihnen den Namen ,Gottʽ und den selbst, der ihn trägt, in Vergessenheit bringen konnten, und der von Gott Geschaffene ist beim Tode und Grabe bis dahin noch nicht angelangt. Daher rief Enos Gott um Hilfe an.
Enos zeugt im Alter von 190 Jahren den Kainan, Kainan im Alter von 170 Jahren den Malaliel, Malaliel im Alter von 165 Jahren den Jared, Jared im Alter von 162 Jahren den Henoch, Henoch im Alter von 165 Jahren den Mathusala, erreicht nach Zeugung dieses noch 200 Jahre eines würdigen und angenehmen Lebens, wie der weiss, dem es gefallen hat, und soll aus der Mitte der Gottlosen hinweggenommen worden sein. Den Grund hieftür werde ich später angeben. Mathusala zeugt im Alter von 167 Jahren den Lamech, Lamech im Alter von 188 Jahren einen Sohn und nennt ihn Noe.
Noe.
Warum hat die Schrift den Noe allein mit dem Namen Sohn genannt, während sie von allen Andern einfach sagt: Er zeugte? Von diesem weissagt sein Vater etwas sich Widersprechendes. Dieser, sagt er, wird uns ruhen lassen von der Arbeit und der Ermüdung der Hände und von der Erde, die Gott der Herr verflucht hat. Das war nicht Ruhe, sondern Vernichtung alles dessen, was auf Erden war. Mir scheint das Ruhenlassen ein Aufhörenmachen zu sein, nämlich ein Aufhörenmachen der Ungerechtigkeit und des Bösen durch Vernichtung der unreinen Menschheit des zweiten Zeitraumes. Denn schön hat er gesagt: Er wird uns ruhen lassen von unseren Arbeiten, das heisst, von der Ungerechtigkeit, und von der Ermüdung der Hände, mit denen wir das Unheilige vollbringen. Es ruhen aber in Wahrheit S. 9 nicht Alle nach jener Weissagung sondern nur die in der Tugend vollendeten Seelen, wenn das Böse abgewaschen wird gleichsam durch eine Untertauchung, wie sie in der Zeit des Noe die Lasterhaften getroffen hat. Mit dem Namen Sohn hat die Schrift ihn geehrt als den offenbaren, bezeichneten und würdigen Erben der väterlichen Tugenden
5Ueber den gleichmässigen Gang der Genealogie der drei Söhne Noe’s bis auf Abraham, Ninus und Aram und über die Verschiedenheit des Ninus von Bel und dem Sohne Bels.
Es ist Allen bekannt, dass schwer zu erreichen und mühevoll ist die Auffindung der Zeiträume von Anfang bis auf uns, besonders aber die Auffindung der direkten Linie der patriarchalischen Geschlechter, die von den drei Söhnen Noe’s abstammen, wenn man irgenwie nach dem Alter eines Jeden suchen will, besonders da die göttliche Schrift die Ihrigen für sich als besonderes Geschlecht abgetrennt und die Andern als verachtet und unwürdig ihrer Aufzeichnung bei Seite gelassen hat. Ueber diese werde ich zuerst sprechen, und zwar, so weit es möglich ist, und ich Zuverlässiges in den alten Erzählungen gefunden habe, mit ganz aufrichtigem Interesse.
Da nun, kluger Leser, betrachte hier die Festigkeit der drei Geschlechtsreihen bis auf Abraham, Ninus und Aram, und du wirst dich wundern.
Sem zeugt im Alter von 100 Jahren zwei Jahre nach der Sündfluth gemäss der göttlichen Schrift den Arphaxath.
Sem.
Sem zeugt im Alter von 100 Jahren den Arphaxath,
Arphaxath im Alter von 135 Jahren den Kainan,
Kainan im Alter von 120 Jahren den Sala,
Sala im Alter von 130 Jahren den Eber,
Eber im Alter von 134 Jahren den Phalek,
Phalek im Alter von 133 Jahren den Ragav,
Ragav im Alter von 130 Jahren den Serukh,
S. 10Serukh im Alter von 130 Jahren den Nakhor,
Nakhor im Alter von 79 Jahren den Thara,
Thara im Alter von 70 Jahren den Abraham.
Kham.
Kham zeugt den Khusch,
Khusch den Mestrim,
Mestrim den Nebroth,
Nebroth den Bab,
Bab den Anebis,
Anebis den Arbel,
Arbel den Khajal,
Khajal den andern Arbel
Arbel den Ninus,
Ninus den Ninovas.
Jabeth.
Jabeth zeugt den Gomer,
Gomer den Thiras,
Thiras den Thorgom
Thorgom den Haik,
Haik den Armenak,
Armenak den Armajis,
Armajis den Amasia,
Amasia den Gegham,
Gegham den Hanna,
Harma den Aram
Aram den schönen Ara.
Den Kainan bezeichnen alle Chronologen als den vierten von Noe und den dritten von Sem, ebenso den Thiras als den vierten von Noe und den dritten von Jabeth, obgleich er nach unserer Uebersetzung sich nirgends in der Schrift vorfindet. Auch den Mestrajim finde ich als den vierten von Noe und den dritten von Kham nirgends weder in unserer Uebersetzung noch in Chroniken eingereiht. An dieser Stelle habe ich ihn aber bei einem sehr klugen und gelehrten Assyrier gefunden, und S. 11 scheint mir das Gesagte auch richtig zu sein; denn Mestrajim ist Medsrajim, welches Egypten bedeutet, und viele Chronisten haben mich durch die Bemerkung, dass Nebrotb, welcher mit Bel identisch ist, ein Aethiopier ist, überzeugt, dass die Sache sich so verhält auf Grund seiner Niederlassung an der Grenze Egyptens.
Nach diesem will ich auch bemerken, dass, obgleich die Lebensjahre der Geschlechter Kham’s bis auf Ninus nirgends gezählt und auch nicht auf uns gekommen sind, und Anderes auch für jenen Ninus selbst nicht, für unseren Jabeth gar nicht ausgemacht ist, dennnoch die besagte Genealogie richtig ist, weil jedes der drei Geschlechter elf Individuen bis auf Abraham, Ninus und unseren Aram zählt. Ara ist der zwölfte nach Ninus und im Knabenalter gestorben. Dieses ist wahr, und Niemand wird daran zweifeln; denn es erzählt uns diese vielen Dinge der zuverlässige Abydenus in diesen Worten: „Ninos, der Sohn des Arbeel, des Sohnes des Khajal, des Sohnes des Arbeel, des Sohnes des Aneeb, des Sohnes des Bab, des Sohnes des Bel.“ Auch zählt er unser Geschlechtsregister von Haik bis auf den schönen Ara, welchen die unzüchtige Semiramis tödtete, auf diese Weise auf: „Ara, der Schöne, Sohn des Aram, des Sohnes des Harma, des Sohnes des Gegham, des Sohnes des Amasia, des Sohnes des Armajis, des Sohnes des Armenak, welcher der stete Feind und sogar der Mörder des Bel ist.“ Dieses sagt uns Abydenus in seinem ersten genauen Geschlechtsregister, welches man später hier äusser Acht gelassen hat.
Dasselbe bezeugt auch Kephalion; denn er sagt in einem Kapitel so: „Bei Beginne meines Werkes habe ich angefangen alle Genealogien ans den königlichen Archiven genau abzuschreiben, habe aber vom Könige den Befehl erhalten, die unbekannten und gottlosen Männer des Alterthums nicht zu erwähnen, sondern allein die Tapfern und Weisen und die ersten Eroberer aufzuzeichnen und für Nutzloses meine Zeit nicht zu verbrauchen und so weiter.
Ganz fremd aber und fern von der Wahrheit ist die Meinung derjenigen, welche den Ninus für den Sohn Bels oder für diesen selbst ausgeben; denn weder die Genealogie noch die Zusammenstellung S. 12 der Jahre bezeugt dieses. Es konnte Jemand, um beannt und berühmt zu werden, es für passend halten, das Alte nahe zu rücken. Jene Angaben habe ich wirklich in der griechischen Litteratur gefunden. Obgleich nun die Griechen selbst sie aus dem Chaldäischen in ihre Sprache haben übersetzen lassen, und obgleich irgend ein Chaldäer freiwillig oder auf Befehl eines Königs das gethan hat, wie ein gewisser Arius und viele Andere, so spreche ich dieselben Nichts desto weniger den Griechen zu, da ich von ihnen gelernt habe.
