5.
Ich Armselige lebte nun unter diesen guten Seelen, die mir wie Engel vorkamen. Sie verheimlichten mir nicht einen Fehler, selbst nicht, wenn er nur innerlich war. Ihre hochherzigen Bestrebungen, ihre gänzliche Losschälung von allen Dingen und überhaupt all die Gnaden, die der Herr ihnen verlieh, waren auffallend. Ihr Trost war die Einsamkeit; sie versicherten mir, daß sie nie satt würden, allein zu sein. Sie hielten es für eine Qual, Besuche zu empfangen, selbst von Geschwistern. Jene hielt sich für die glücklichste, die am längsten in einem Einsiedlerhüttchen verweilen konnte. Wenn ich die Vortrefflichkeit dieser Seelen und den hohen, ihnen von Gott zum Leiden und zu seinem Dienste verliehenen Mut betrachtete, wie er sonst Frauenspersonen nicht eigen ist, so schien es mir oft, der Herr habe irgendeine erhabene Absicht mit den ihnen verliehenen reichen Schätzen. Was dann wirklich später geschah, kam mir freilich nicht in den Sinn; denn damals schien so etwas noch unmöglich, weil nirgends ein Anhaltspunkt war, um sich Derartiges vorstellen zu können. Je mehr Zeit inzwischen verfloß, um so mehr wuchs auch mein Verlangen, irgendwie zur Förderung einer Seele beizutragen. Oft schien es mir, ich gleiche einem Menschen, der im Besitze eines großen verborgenen Schatzes ist und wünscht, alle möchten desselben teilhaftig werden, indessen man ihm die Hände bindet, so daß er ihn nicht austeilen kann. Ebenso gebunden kam mir meine Seele vor; denn
die Gnaden, die der Herr ihr in jenen Jahren verlieh, waren sehr groß, und doch schien an mir alles übel angewendet. Ich diente dem Herrn immer mit meinen armen Gebeten und ermahnte auch meine Schwestern, dasselbe zu tun und sich das Heil der Seelen, die Ausbreitung der Kirche und die Erbauung aller, mit denen sie umgingen, ernstlich angelegen sein zu lassen. Dadurch befriedigte ich in etwa mein sehnliches Verlangen.
