2.
Im Anfange gab es keine Bosheit, und sie findet S. 533 sich ja auch jetzt nicht bei den Heiligen; ja für sie existiert sie überhaupt nicht. Erst später sind die Menschen auf sie verfallen und begannen, sie zu ihrem eigenen Verderben1 weiterzubilden2. So bildeten sie sich denn auch eine Vorstellung von Idolen und dachten sich das Nichtseiende als wirklich.
Gott, der Schöpfer der Welt und Allbeherrscher, der über jedes Wesen und jede menschliche Vorstellung erhaben ist, hat in seiner Güte und überreichen Liebe durch seinen eigenen Logos, unseren Heiland Jesus Christus, das Menschengeschlecht nach seinem eigenen Bilde erschaffen und den Menschen in seiner Verähnlichung mit sich zum sinnigen und verständigen Betrachter der Dinge bestellt. Er gab ihm auch Begriff und Kenntnis von seiner eigenen Ewigkeit, damit er in demselben Urzustand verharre3, nie von seiner Gottesvorstellung abfalle, noch auch vom Umgang mit den Heiligen4 sich lossage, vielmehr im Besitze der Gnade des Gebers und seiner eigenen Kraft, die vom väterlichen Logos stammt, freudig mit Gott verkehre und ein ungetrübtes und wahrhaft seliges, unsterbliches Leben führe. Denn nichts steht ihm hindernd auf dem Weg zur Erkenntnis des Göttlichen, und so schaut er in seiner eigenen Unversehrtheit (καθαρότης) immerdar das Bild des Vaters, den Logos Gottes, nach dessen Ebenbild er auch geschaffen ist. Ja, er gerät außer sich vor Bewunderung, wenn er dessen Vorsehung im Weltall betrachtet; er erhebt sich über alles Sinnenfällige und jede körperliche Vorstellung und tritt mit der göttlichen, geistigen Welt im Himmel in Verbindung in der Kraft seines Geistes. Wenn nämlich der menschliche Geist nicht mit dem Körperlichen sich abgibt und auch S. 534 keinerlei Beimischung von der daraus entspringenden Begierlichkeit von außen erhält, vielmehr ungeteilt ist, in erhabener Höhe mit sich selbst beschäftigt, wie er im Anfange gewesen, ja, dann schreitet er über die Sinnenwelt und alles Menschliche hinaus, schwebt in der Höhe, sieht den Logos und schaut in ihm auch den Vater des Logos, voll Entzücken ob seiner Anschauung und in immer neuem Verlangen nach ihm. So hat ja der erste Mensch, der in der Sprache der Hebräer auch Adam genannt ward, nach Angabe der heiligen Schriften zu Anfang in harmloser Freiheit mit Gott geistigen Umgang gepflogen und mit den Heiligen zusammengelebt in der Betrachtung der geistigen Welt, der er an jener Stätte oblag, die auch der heilige Moses bildlich Paradies nannte. In ihrer Reinheit ist aber die Seele dazu fähig, Gott in sich selbst wie in einem Spiegel zu schauen, wie auch der Herr sagt: „Selig, die reinen Herzens sind, sie werden Gott anschauen“5.
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Καθ᾿ ἑαυτῶν ist sicher die richtige Lesart. ↩
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Wie von den Menschen die Bosheit gleichsam kultiviert wurde und in die gräßlichsten Formen ausartete, schildert Athanasius besonders von c. 8 ab. ↩
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Τὴν ταυτότητα σώζων. Diese Stelle kann nur den oben wiedergegebeneu Sinn haben und findet ihre negative und positive Explikation in den unmittelbar folgenden Bestimmungen. ↩
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Unter den ἃγιοι sind die Engel zu verstehen wie zu Beginn und am Schluß des Kapitels. ↩
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Matth. 5, 8. ↩
