Inhalt der dritten Rede.
S. 236 Da die Arianer ihre bisherigen, der Schrift entnommenen Einwände entkräftet sehen, so bringen sie neue auf.
Joh. 14, 10 ist ihnen unverständlich, weil sie sich Gott körperlich vorstellen. Die gegenseitige Einwohnung ist nicht eine gegenseitige Ergänzung; vielmehr sind beide, Vater und Sohn, vollkommen. Nach der kindischen Lehre des Asterius, mit jenen Worten habe der Herr nur seine Worte und Werke als die des Vaters bezeichnen wollen, könnten mit demselben Recht noch viele andere Heilige dem Sohne nachsprechen, da laut der Schrift auch sie im Namen Gottes redeten und wirkten (cc. 1. 2). Joh. 14, 10 ist aber zu verstehen von der Wesensgemeinschaft des Vaters und Sohnes und beweist die Wesenseinheit der Gottheit. Diese Wesenseinheit ist aber nicht zweigeteilt noch sabellianisch zu fassen, so daß derselbe Vater und Sohn wäre, vielmehr ist der Vater Vater, der Sohn Sohn, die Natur der beiden aber Eine, ihr Verhältnis veranschaulicht das Bild von Sonne und Abglanz. Deshalb hat auch der Sohn die Eigenschaften und Gewalt des Vaters. Jene Wesenseinheit von Vater und Sohn liegt in den drei Stellen: Joh. 10, 30. 38; 14, 9 gleicherweise ausgesprochen. Weil der Sohn ganz Gott und untrennbar vom Vater, darum wird im Sohn der Vater geschaut. Schon aus dem Vaterbegriff folgt die Existenz eines ihm eigenen, naturhaften Sohnes, in dem auch der Vater angebetet wird (cc. 3-6).
Die Berufung der Arianer auf Deut. 12, 39 und 6, 4 ist gleichfalls vergebens, da jene Worte nicht gegen den Sohn gerichtet sind, als bestünde zwischen Vater und Sohn ein feindseliges Verhältnis - die Schrift spricht gerade für das Gegenteil -, sondern gegen die Vielgötterei. Damit wird aber der Sohn nicht aufgehoben, zumal auch Gott jene Worte durch das ihm S. 237 eigene Wort gesprochen hat (cc. 7. 8). Zu demselben Resultat führt die Stelle Joh. 17, 3: Damit sie Dich, den allein wahren Gott erkennen und den Du gesandt has!, Jesum Christum„. Wo immer die Schrift vom “alleinigen„ Gott redet, ist immer der Sohn und das Wort als natürliche Zeugung des Vaters in ihm eingeschlossen. So wenig Is. 44, 6 Gott als Geschöpf bekundet, ebensowenig die Bezeichnung "Erstgeborener“ den Sohn (c. 9). Die Einheit von Vater und Sohn ist auch nicht, wie die Ariarner meinen, bloße Harmonie der beiderseitigen Willensrichtung, da sonst auch die Gebilde Söhne wären, weil sie wollen, was Gott will. Die Schrift belehrt uns eines andern (c. 10). Auch bloße Übereinstimmung der Lehre begründet nicht das naturhafte Verhältnis von Vater und Sohn (c. 11). Aus ihrer Wesenseinheit erklärt es sich, wenn alles, was vom Sohn stammt, vom Vater kommt, und wieder der Vater alles durch den Sohn wirkt und gibt, - wie umgekehrt in dieser Art von Verleihung jene Einheit kund wird. Darum richtet sich auch das Flehen der Menschen, - wie die Schrift zeigt an Vater und Sohn zugleich, was aber müßig wäre, wenn jene Einheit nicht bestünde (und der Sohn ein Geschöpf wäre), da ja der Vater allein verleihen würde (cc. 11-13). Aber eines Geschöpfes, z. B. eines Engels, Tätigkeit ist nie mit dem Wirken Gottes identisch; sie ist nur die Ausführung göttlicher Pläne durch ein dienendes Organ (c. 14). Der von den Arianern den Orthodoxen gemachte Vorwurf, sie stellen in der Dreiheit eine Wahrheit von Göttern auf, ist ungerechtfertigt, trifft aber mit Recht sie - wenn man sie nicht richtiger des Atheismus ziehen will -, da sie von einem geschaffenen Sohn und Geist reden (c. 15). in c. 16 läßt Athanasius der Polemik gegen den arianischen Monotheismus die biblische Rechtfertigung der orthodoxen Auffassung folgen.
Der Inhalt der cc. 17-25 ist eine Widerlegung der auf Joh. 17, 11. 22 gestützten arianischen Behauptung von einer nur moralischen Einheit des Vaters und Sohnes, wie sie auch den Geschöpfen zukommt. Diese Stelle enthalte in ihrem Gleichnis nur eine Norm Für das Verhalten der Menschen, wie solche Vergleichungen S. 238 der Schrift und auch dem Heiland geläufig seien (cc. 18. 19), näherhin eine Mahnung zu gegenseitiger Eintracht, die ein Nachbild jener untrennbaren göttlichen Einheit sein soll (c. 20). Diese Auflassung der Stelle fordere schon der Wortlaut, insofern es nicht heiße: „Damit auch sie in Dir Eins sind, wie der Sohn im Vater“, sondern „damit auch sie in uns Eins seien“ (c. 21). Die Menschen werden Eins mit Gott durch das menschgewordene Wort, in dessen menschlicher Natur auch die ihrige eingeschlossen ist, und gelangen so zur Vollkommenheit. Die Partikel „wie“ drückt ein Gleichnis, nicht die Identität aus, wie auch Matth. 12,40 zeigt (cc. 22. 23). Eine Erklärung zu seiner Schriftstelle gibt übrigens Johannes selbst in I Job. 4, 13, wonach wir durch die uns verliehene Gnade des Geistes in Christus sind und er in uns. Der Sohn aber, der den Geist allen schenkt, kann nur von Natur im Vater sein. Jene Worte in Joh. 17,20 sind eine Bitte des Herrn an den Vater, durch ihn den Geist zu verleihen, im Besitz dieses Geistes stehen wir moralisch mit Gott selbst in Verbindung (cc. 24. 25).
In c. 26 stellt Athanasius eine Reihe von Schriftstellen zusammen, aus denen die Arianer eine Unvollkommenheit und Schwäche des Wortes und Sohnes Gottes und damit dessen Kreatürlichkeit folgerten. Die polemisch-apologetische Exegese dieser Texte reicht bis c. 58. - Zunächst aber weist er den Arianern nach, daß zum vollen Judentum ihnen nur noch die Beobachtung der jüdischen Gebräuche fehle, wovon sie die Rücksicht auf Konstantin und ihre bereits gewonnenen Freunde abhalte (cc. 27. 28). An die Spitze des exegetischen Teils stellt er als zum Verständnis dieser Texte notwendiges Allgemeinprinzip die Schriftlehre von der Einheit der Person (Christi) in der Verschiedenheit der Naturen, der göttlichen und menschlichen (c. 29). Denn nach den Zeugnissen des Neuen Testaments ist das Wort Mensch geworden, nicht zum Menschen gekommen (cc. 30. 31).
Mit dem menschlichen Leib trug das Wort auch dessen Schwächen und Leiden, und seiner bediente es sich als des Organs für sein göttliches Wirken (cc. 31. 32). Diese doppelte Beziehung des Wortes zum Leibe S. 239 war notwendig, damit der Mensch vergöttlicht und der Leib von den Leiden befreit wurde. Alle Leiden und Schwächen des Fleisches litt Christus „für uns im Fleische“. Die göttlichen Reden und Handlungen des Herrn offenbaren seine Gottheit, die menschlichen Worte, Werke und Zuständlichkeiten seine Menschheit (cc. 33-35). Ausdrücke, wie „ich empfing“, tun der Gottheit des Wortes keinen Eintrag, zeigen vielmehr nur den Unterschied zwischen Vater und Sohn an. Weil ewig aus dem Vater, darum hat er auch sein Eigentum ewig vom Vater (c. 36). Wenn Christus trägt, dann tut er es entweder nicht aus Unwissenheit, oder er trägt mit dem nichtwissenden Fleisch unsere Unwissenheit. Wenn Christus Macht und Verherrlichung empfing, empfing er dies als Mensch für uns; als Gott hatte er alle Macht ewig.. Weil wahrer Gott im Fleisch und wahres Fleisch im Worte, darum passen auf das Wort göttliche wie menschliche Aussagen (cc. 37-41).
Spielend weiß Athanasius auch die „starke Stütze der Häresie“ in Mark. 12, 32 wegzuschaffen. Tatsächlich wußte der Sohn Tag und Stunde, da er ja die vorausgehenden Endereignisse angeben konnte (e. 42). Von einem Nichtwissen des Sohnes konnte indes der Herr nach seiner Menschwerdung reden, weil er als Mensch nicht wußte, was er als Wort wußte (c. 43). Daß er als Gottessohn Kenntnis hatte, folgt erstens daraus, daß es der Gott wußte - dies ex silentio aus Mark. 13, 32 argumentierend -, der doch erst vom Sohne empfängt, zweitens aus Matth. 10. 27; Job. 16,15 (c. 44), und daß Christus nur als Menschensohn nicht wußte, folgt aus Stellen wie Matth. 24, 42, 45. 39; 25, 13; Luk. 10, 22 (cc. 45, 46). Wenn übrigens in 2 Kor. 12, 2 eine Kenntnis Pauli trotz seiner entgegenlaufenden Versicherung angenommen werden muß und ähnlich in 4 König. 2, 17 eine solche für Elias trotz der Geheimhaltung, so weiß noch weit mehr Christus, wenn er auch sagt: „ich weiß nicht“ (e. 47). Was der Herr als Mensch uns nicht sagen konnte, wollte er als Gott zu der Apostel und unserem Nutzen nicht offenbaren (cc. 48. 49). In e. 50 wird mit Verweisung auf analoges Fragen Gottes (Gen. 3, 9; S. 240 4, 9) nochmals abgelehnt, daß man aus dem Fragen ds Herrn auf ein Nichtwissen schließen darf.
In cc. 51-53 stellt Athanasius der widerspruchsvollen arianischen Auslegung von Luk. 2, 52 die seinige entgegen: Nicht das Wort als solches nahm zu, sondern dem Menschen kommt das Wachstum zu. Für das Wort bedeutete seine leibliche Zunahme nur das Wachstum eines Organs zu immer konkreterer Offenbarung seiner Gottheit; für die Menschen war seine leibliche Zunahme eine Vergöttlichung ihrer Natur. Man könnte auch sagen: Der Herr nahm im Fleische zu, wie er im Fleische litt und Schwächen empfand.
Ähnlich sind auch die menschlichen Äußerungen des Herrn bei seinem Leiden und Sterben, seine Betrübnis, sein Weinen, Zagen, das Gefühl seiner Verlassenheit am Kreuze zu verstehen. Diese Schwächen berührten nicht seine Gottheit, die, wie die Schrift zeigt, über alle Furcht und Zaghaftigkeit erhaben war, sie waren der menschlichen Natur eigen. Mit ihrer Aneignung ha! das Wort die Schwächen des Fleisches auf sich übertragen, um die Menschen davon zu befreien. Darum waren die Apostel und Märtyrer frei von jeder Furcht (cc. 54-58).
Der letzte Abschnitt der Rede (cc. 59-67) enthält eine umständliche Antwort auf den spitzfindigen Einwand der Arianer, der Sohn sei ein Werk des göttlichen Willens.
Diese neue These, nur eine trügerische Formulierung der andern: „Es war einmal, da er nicht war“, verstößt gegen die Schrift, die nichts weiß von einem Entstehen des Wortes durch den Willen des Vaters (c. 59). Den Valentinianern haben sie diesen Einwand entlehnt. Doch nur bei den entstandenen Wesen haben wir einen vorausgehenden Willen. Wenn also auch der Sohn ein Geschöpf ist, mag Asterius ihn mit Recht als Ausfluß des schöpferischen Willens Gottes betrachten (c.60). Ist er aber von allen entstandenen Wesen verschieden, dann kann er nicht gleich diesen durch den Willen entstanden sein. Vielmehr ist der schöpferische Wille Gottes im Worte (c. 61). Wäre auch das Wort geschaffen, dann müßte man sich auch für dieses nach S. 241 einem zweiten Schöpferwort umsehen. Ihr sophistisches Dilemma, der Sohn sei entweder durch den Willen oder gegen den Willen des Vaters entstanden, verrät nur ihre Blindheit, in der sie das Höhere, das naturhafte Ausgehen des Sohnes vom Vater übersahen, und ihre Vermessenheit, in der sie bei Gott von menschlichen Gegensätzen, Wille und Zwang reden (e. 62). Wenn die Beratung der Existenz des Sohnes vorausgeht, dann müssen sie tollkühn und töricht ein Gleiches auch für den Vater annehmen und Ferner glauben, daß der Vater erst kraft eines Willensentschlusses vernünftig und weise wurde, wenn er ja auf diesem Wege erst Wort (Vernunft) und Weisheit empfing. Es läßt sich also kein Wille vor dem Sohn im Vater denken; der Sohn ist vielmehr selbst nach dem Zeugnis der Schrift der lebendige Ratschluß Gottes (e. 63). Einen dem Sohn vorausgehenden Willen verneint der Herr selbst in Joh. 14, 10 (c. 64). Ist der Herr durch den Willen entstanden, dann natürlich auch durch die Klugheit, die aber doch der Sohn selbst ist (c. 65). Wenn der Sohn von Natur und nicht durch den Willen Sohn ist, so ist er damit keineswegs gegen den Willen des Vaters da, vielmehr liebt der Vater den Sohn. Die Behauptung, es hätte der Sohn auch nicht sein können, hebt auch den Vater auf. Der Sohn ist also lebendiger Ratschluß und wahrhaft Zeugung Gottes. Schließlich verweist Athanasius die Arianer an die Eltern, die auch ihre Kinder nicht als Geburten ihres Willens, sondern ihrer Natur ansehen (cc. 66.67).
Eine Einladung an die Verirrten zur Umkehr und nochmalige Brandmarkung der verstockten Häretiker bildet den Schluß der Rede (c. 67).
