3.
Aber da springen die Ketzer herzu und schreien: Sieh da, der Vater erweckt den Sohn! Denn da sie nun einmal erkrankt sind, stellen sie sich taub gegen alles, was an den Glaubenswahrheiten erhaben ist; das Erniedrigende aber, das also vermerkt wird, sei es um des Fleisches willen, sei es aus Ehrfurcht gegen den Vater, sei es aus irgendeinem anderen Grunde, das suchen sie hervor, legen es ohne Rücksicht auf den Zusammenhang aus und schädigen so, ich sage nicht die Schrift, sondern sich selbst. Diese Leute möchte ich gerne fragen, warum sie eigentlich derlei reden. Wollen sie etwa den Sohn als machtlos hinstellen und als unvermögend, einen einzigen Leib zu erwecken? Und doch hat der Glaube an ihn bewirkt, daß selbst der Schatten der Gläubigen Tote erweckte! So hätten denn wohl seine Gläubigen, sterbliche Menschen, noch dazu durch den bloßen Schatten ihrer irdischen Leiber und durch die Kleider, welche diese Leiber berührten, Tote auferweckt, er aber sollte sich selbst nicht haben auf erwecken können? Wie? Ist das nicht heller Wahnsinn und der Gipfel der Torheit? Hörst du nicht, was er spricht: „Reißet diesen Tempel nieder, und in drei Tagen werde ich ihn wieder auf- S. 23 richten“;1 und abermals: „Ich habe Macht, mein Leben hinzugeben, und Macht, es wieder zu nehmen?“2 Warum also heißt es, der Vater habe ihn auferweckt? Geradeso, wie demselben auch die übrigen Werke (des Sohnes) zugeschrieben werden, die dieser selbst wirkt. Der Ausdruck wurde gewählt, einerseits um den Vater zu ehren, anderseits um der Schwäche der Leser zu begegnen. „Und alle Brüder, die bei mir sind.“ — Warum wohl macht er diesen Zusatz in keinem anderen Briefe? Entweder nämlich setzt er seinen Namen ganz allein oder er führt zwei oder drei andere namentlich an. Hier aber erwähnt er eine ganze Menge und kann deshalb keinen mit Namen nennen. Warum tut er das? Man hatte ihn verleumdet, als stünde er mit seiner Predigt allein und führe eine neue Lehre ein. Um nun ihren Verdacht zu zerstreuen und zu zeigen, daß er viele Gesinnungsgenossen habe, fügte er die Brüder bei und gab dadurch zu verstehen, daß der Inhalt seines Schreibens auch nach deren Sinne sei. — „An die Kirchen von Galatien“. Denn nicht bloß eine Stadt oder zwei oder drei, sondern das ganze Volk der Galater hatte dieses Feuer der Irrlehre ergriffen. Beachte auch hier den tiefen Unwillen! Er sagt nicht: an die Geliebten, oder: an die Heiligen, sondern: an die Kirchen von Galatien. Indem er sie weder mit einem Namen der Liebe noch ehrend mit dem Eigennamen anredete, sondern einzig mit dem Namen der Gemeinde, und auch nicht den Zusatz machte: an die Kirchen Gottes, sondern ganz einfach: an die Kirchen von Galatien, wollte er seiner tiefen Verstimmung und seinem Schmerze Ausdruck verleihen. — Übrigens drängt es ihn gleich von Anfang an, ihre Streitigkeiten beizulegen. Aus diesem Grunde gebrauchte er auch den Ausdruck „Kirche“; er wollte sie beschämen und zur Eintracht bestimmen. Denn Leute, die in viele Parteien zerspalten sind, können nicht wohl mit dieser Anrede begrüßt werden; ist ja der Ausdruck „Kirche“ ein Aus- S. 24 druck der Eintracht und Einigkeit. —„Gnade euch und Friede von Gott dem Vater und unserem Herrn Jesus Christus.“ Stets und überall ist er genötigt, diesen Zusatz zu machen,3 am meisten aber jetzt, da er an die Galater schreibt. Weil sie nämlich Gefahr liefen, die Gnade zu verlieren, wünscht er ihnen, daß sie dieselbe wiederum voll erlangen. Und weil sie sich selber in den Krieg mit Gott hineingearbeitet haben, bittet er Gott, er möge ihnen zum vorigen Frieden verhelfen. — „Von Gott dem Vater.“ Auch auf Grund dieser Stelle ist es wiederum ein leichtes, die Häretiker4 zu überführen. Sie behaupten nämlich, Johannes habe in der Einleitung zu seinem Evangelium bei den Worten: θεὸς ἦν ὁ λόγος5 deswegen keinen Artikel zu θεὸς gesetzt, weil er die Gottheit des Sohnes als (der des Vaters) nachstehend bezeichnen wollte; und ebenso rede Paulus in der Stelle: der Sohn war ἐν μορφῇ θεοῦ6 nicht vom Vater, weil auch dort das Wort θεοῦ ohne Artikel gebraucht werde. Was wollen sie nun hier entgegnen, wo Paulus nicht ἀπὸ τοῦ θεοῦ, sondern ἀπὸ θεοῦ πατρὸς sagt? — Vater aber nennt der Apostel hier Gott nicht, um ihnen zu schmeicheln, sondern um sie ernstlich zu tadeln und um zugleich an die Ursache zu erinnern, durch die sie Kinder geworden sind. Denn nicht durch das Gesetz, sondern durch das Bad der Wiedergeburt wurden sie dieser Ehre teilhaftig. Deshalb streut er allüberall schon in der Einleitung die Hinweise auf Gottes Güte aus, so fast als wollte er sagen: Woher nehmet ihr, die Knechte, die Feinde, die Fremdlinge mit einem Male das Recht, Gott euren Vater zu heißen? Hat etwa das Gesetz euch mit dieser Verwandtschaft begnadet? Warum also habt S. 25 ihr den verlassen, der euch so innig an sich zog, und laufet wieder dem Zuchtmeister nach? — Aber nicht bloß der Name des Vaters, sondern auch der des Sohnes ist geeignet, ihnen diese Güte recht vor Augen zu führen. Denn der Name des Herrn Jesus Christus spricht, wofern er nur aufmerksam erwogen wird, die ganze Fülle der Güte aus. Er wird nämlich, so heißt es,7 Jesus deshalb genannt werden, „weil er sein Volk erlösen wird von dessen Missetaten“; der Zuname Christus aber erinnert an die Salbung des Hl. Geistes.
-
Joh. 2, 19. ↩
-
Ebd. 10, 18. ↩
-
Vgl. Röm. 1, 7; 1 Kor. 1, 3; 2 Kor. 1, 2; Eph. 1, 2; Phil. 1, 2; Kol. 1, 3; 1 Thess. 1, 2; 2 Thess. 1, 2; 1 Tim. 1, 2; 2 Tim. 1, 2; Tit. 1, 4; Philem. 3. ↩
-
Die Anomöer. Das Folgende scheint ein beliebtes Argument der Arianer gewesen zu sein. Vgl. Eusebius von Cäsarea in seinem Buche Contra Marcell. im Kap. 16. u. 17. ↩
-
Joh. 1, 1. ↩
-
„in Gestalt Gottes“; Phil. 2, 6. ↩
-
Matth. 1, 21. ↩
