2.
Dieß ist der Seelen edle und unedle Abkunft, und so möchten wohl ein Libyer und ein Parther verwandt seyn; so möchten auch die, welche wir Brüder nennen, durch Geistesverwandtschaft einander nicht im Geringsten angehören. Dieses verrieth sich an den Aegyptischen Knaben sogleich bei ihrer Geburt, und zeigte sich klar bei reiferem Alter; denn der jüngere, durch ein göttliches Loos geboren und erzogen, war schon im Knabeneiter hörbegierig und fabelnliebend — denn die Fabel ist der Knaben Weisheitslehre; — und an Alter zunehmend, liebte er einen stets über die Zeit hinausstrebenden Unterricht, und horchte nicht nur seinem Vater, sondern es lästerte ihn nach Allem, was jeder Treffliches wußte. Zuerst wollte er, nach Art der Hündlein, Alles auf einmal wissen, wie es in der That jene Naturen machen, welche Großes versprechen: sie sind voll Ungeduld und eilen der Zeit voran, schon das gewünschte Ziel sich verheißend. Nachher aber ward er, lange vor dem Jünglingsalter, ruhiger, als ein edler Greis, und hörte sittsam zu; und wenn er manchmal reden mußte, um entweder über das zu fragen, was er gehört, oder wegen: etwas andern, so sah ihn jedermann säumen und erröthen. Auch ging er den Greisen der S. 73 Aegyptier aus dem Wege und stand vor ihnen vom Sitze auf, obgleich er der Sohn des mächtigen Hetrrschers war. Er bewies auch Achtung gegen seine Gespielen, und es war seiner Natur ganz besonders eigen, für die Menschen Fürsorge zu tragen. Daher konnte man, als er in jenem Alter war, nicht leicht einen Aegyptier finden, dem er nicht wenigstens irgend einen Vortheil von seinem Vater ausgewirkt hatte. Der ältere aber, Typhos, war, mit Einem Worte, in Allem linkisch. Jede Wissenschaft nämlich, sowohl Aegyptische, als ausländische, in welcher der König seinem Sohne Osiris Lehrer gegeben hatte, haßte Typhos von ganzer Seele, und spottete dieses Werkes, als eines trägen und die Geister verknechtenden; und wenn er seinen Bruder ordentlich gehen und sittsam sich betragen sah, so glaubte er, es sei Furcht, weil man ihn nicht mit den Fäusten schlagen, noch mit den Fersen ausstoßen, noch unordentlichen Laufes eilen sah, obgleich er einen leichten und schlanken Körper hatte, der eine geringe Last die Seele umgab; ja Osiris trank nie mit Begier, noch, lachte er laut auf, daß das Gelächter den ganzen Körper erschütterte. Typhos aber that dieses täglich und hielt es allein für Werke freier Männer, zu thun, worauf man gerathen mochte, oder was man wollte. Er glich weder seinem Geschlechte von Seite des Charakters, noch überhaupt irgend einem Menschen, und, um es kurz zu Sagen, er war sich selbst nicht einmal ähnlich, sondern ein gar mannichfaches Uebel. Bald war er träge und umsonst die Erde belastend, nur so lange des Schlafes sich enthaltend, bis er den Bauch gefüllt und für die übrigen Beförderungsmittel des Schlafes gesorgt hatte; bald vernachläßigte er von Seite des Maßes auch was der Natur nothwendig ist, so daß er wild umhersprang, und Gespielen und Erwachsene quälte; denn er bewunderte die Körperstärke als das vollkommenste Gut und mißbrauchte sie, indem er Thüren S. 74 aufsprengte und mit Schollen warf, und, wenn er jemand verwundet hatte, oder ein anderes Unheil ihm zufügen konnte, sich freute, wie über ein Zeugniß des Wohlverhaltens. Vor der Zeit entbrannte er in Lust und ergab sich mit dem größten Ungestüm körperlichen Genüssen; auch entglühte er sogar vor Neid gegen seinen Bruder und vor Haß gegen die Aegyptier, weil die Einen, das Volk, den Osiris bewunderten, und in Reden und in Gesängen, und zu Hause und bei öffentlichen Opfern Alle allenthalben alles Gute von den Göttern für ihn erflehten; jener aber in Wahrheit ein Solcher war und schien. Daher versammelte Typhos eine Genossenschaft thörichter Knaben um sich, in keiner andern Absicht — denn er konnte niemand von Herzen lieben, — als um eine Partei zu haben, die nicht dem Osiris anhienge. Doch war es jedem leicht, seine Gunst zu gewinnen und von ihm zu erhalten, wornach Knaben verlangen, wenn er ihm nur etwas zuflüsterte, was dazu beitrug, den Osiris zu schmähen. So verrieth von Kindheit an ihre Natur die Verschiedenheit der Lebensweisen.
