Missionstätigkeit
(35) Es wäre zu lang, meine ganze Arbeit in allen ihren Einzelheiten oder auch nur teilweise zu erzählen. Ich will nur kurz sagen, daß der gütige S. 29 Gott mich wiederholt aus der Knechtschaft befreit hat und ebenso aus zwölf Gefahren, in denen mein Leben schwebte, ganz abgesehen von den vielen Nachstellungen und andern Dingen, die ich mit Worten nicht auszudrücken vermag. Ich werde aber die Leser nicht betrügen, sondern ich habe Gott als Gewährsmann, der alles weiß, schon bevor es geschieht, wie er auch mich armen, hilflosen und ungebildeten Menschen wiederholt durch einen göttlichen Bescheid angewiesen hat. (36) Woher kam mir denn diese Weisheit, die vorher nicht in mir war, der ich die Zahl meiner Tage nicht kannte und an Gott nicht dachte? Woher kam mir denn später die große und heilsame Gabe, Gott zu erkennen und zu liehen, ja sogar Vaterland und Eltern (um seinetwillen) zu verlieren?
(37)Viele Geschenke wurden mir unter Tränen und Klagen angeboten, und ich mußte manche von meinen Vorgesetzten, die gegen meinen Wunsch waren, kränken. Aber durch Gottes Fügung habe ich nicht zugestimmt und nicht nachgegeben. Das habe ich aber nicht mir zu verdanken, sondern Gott ist es, der in mir siegt und ihnen allen Widerstand geleistet hat, so daß ich zu den Völkern Irlands kam, um das Evangelium zu predigen und von den Ungläubigen Schmach zu ertragen, daß ich den Vorwurf der Heimatlosigkeit auf mich nahm und viele Verfolgungen bis zur Gefangenschaft, und daß ich den Vorteil meiner Abstammung hingab für den Nutzen anderer. Und wenn ich würdig sein sollte, bin ich bereit, auch S. 30 mein Leben ohne Zögern und mit Freuden hinzugeben; dort wünsche ich jedenfalls es aufzuopfern bis zum Tod, wenn Gott es mir verleiht.
(38)Denn ich bin gar sehr ein Schuldner Gott gegenüber, der mir die große Gnade geschenkt hat, daß durch mich viele Menschen für Gott wiedergeboren und dann vollendet wurden, und daß überall für sie Priester geweiht wurden, bei einem Volk, das eben erst zum Glauben kam, das der Herr sich von den Grenzen der Erde zu eigen genommen hat, wie er einst durch seine Propheten versprochen hatte: Zu dir werden kommen die Völker von den Grenzen der Erde und sagen: Falsch sind die Götzenbilder, die unsere Vater besaßen, und kein Nutzen wohnt in ihnen. Und an einer andern Stelle: Ich habe dich zum Licht unter den Heiden bestimmt, daß du ihnen zum Heil seist bis an die Grenzen der Erde. (39) Dort will ich die Verheißung dessen, der niemals tauscht, abwarten, wie er im Evangelium verspricht: Kommen werden sie vom Osten und vom Westen, vom Süden und vom Norden und werden mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tisch sitzen. Glauben wir doch daran, daß aus der ganzen Welt Gläubige kommen werden.
(40) Deshalb ist es nötig, gut und gewissenhaft Fischer zu sein, wie der Herr uns ermahnt und belehrt, indem er sagt: Folget mir nach, und ich werde euch zu Menschenfischern machen. Und an einer andern Stelle sagt er durch den Propheten: Siehe, ich schicke Fischer und Jäger in großer Zahl, S. 31 sagt der Herr. Deshalb war es sehr nötig, unsere Netze so zu spannen, daß eine große Zahl für Gott gefangen wurde und daß es überall Priester gab, die das bedürftige und danach verlangende Volk taufen und ermuntern konnten, wie der Herr im Evangelium ermahnt und lehrt, indem er sagt: Darum gehet jetzt hin und lehret alle Völker und taufet sie im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehret sie alles halten, was ich euch aufgetragen habe; und sehet, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt. Und an einer andern Stelle: Gehet also hin in alle Welt und predigt das Evangelium allen Geschöpfen. Wer glaubt und sich taufen läßt, wird gerettet werden, wer aber nicht glaubt, wird verdammt werden. Und an einer weiteren Stelle: Dieses Evangelium vom Reiche wird in der ganzen Welt verkündigt werden zum Zeugnis für alle Völker. Und dann wird das Ende kommen. Und ebenso sagt der Herr durch den Propheten vorausverkündend: Es wird in den letzten Tagen geschehen, spricht der Herr, da werde ich von meinem Geiste ausgießen über alles Fleisch, und es werden eure Soöhne und eure Töchter weissagen und eure Jünglinge Gesichte schauen und eure Greise Traumgesichte haben. Selbst über meine Knechte und Mägde werde ich von meinem Geiste ausgießen, und sie werden weissagen. Und bei Osee sagt er: Ich werde mein Volk nennen, was nicht mein Volk war, und eines, das kein Erbarmen gefunden hat, werde ich als eines bezeichnen, das S. 32 Erbarmen gefunden hat. Und anstatt daß gesagt wurde: Du bist nicht mein Volk, werden sie Söhne des lebendigen Gottes genannt werden.
(41) Wie kam es denn, daß die Leute in Irland, die nie Kenntnis von Gott hatten, sondern bisher immer nur Götzenbilder und Unreines verehrten, jetzt zum Volk des Herrn geworden sind und als Kinder Gottes bezeichnet werden? Söhne der Schotten1 und Töchter der Fürsten sind zu Mönchen und Jungfrauen Christi geworden. (42) So habe ich auch ein begnadetes Mädchen schottischen Stammes getauft, vornehm, schön, eben erwachsen. Nach ein paar Tagen kam sie mit einem Anliegen zu uns und teilte uns mit, daß sie vom Willen Gottes einen Bescheid erhalten habe, durch den sie ermahnt worden sei, eine Jungfrau Christi zu werden und so in Gottes Nähe zu kommen. Gott gebührt der Dank, am sechsten Tag darauf riß sie lobenswert und voll Begierde (das Reich Gottes) an sich, was auch alle andern Jungfrauen Gottes so tun; nicht weil es der Wunsch ihrer Väter ist, sie erleiden vielmehr Verfolgung und ungerechte Vorwürfe von ihren Eltern. Nichtsdestoweniger aber vermehrt sich ihre Zahl, und wir wissen gar nicht, wie viele von unserem Geschlecht dort geboren sind, ganz abgesehen von den Witwen und den Enthaltsamen. Das meiste aber haben die auszustehen, die im Sklavenstande leben. Selbst S. 33 Einschüchterungen und Drohungen müssen sie immerfort ertragen. Aber der Herr hat vielen von meinen Mägden seine Gnade gegeben; wenn es ihnen auch verboten wird, so bleiben sie doch standhaft bei ihrem Streben.
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Der Name Schotten wird bis ins Mittelalter ohne Unterschied für die stammverwandten Bewohner Schottlands und Irlands verwendet. ↩
