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Leben und Gefangenschaft des Mönches Malchus (BKV)
3.
"Mein Freund", so redete er mich an, "ich war der einzige Sohn meiner Eltern und bebaute zu Nisibis1 S. 75ein kleines Landgut. Da sie mich als Stammhalter und Familienerben zur Heirat zwingen wollten, beteuerte ich, lieber Einsiedler werden zu wollen. Mit welchen Drohungen mich der Vater verfolgte, mit welchen Schmeicheleien die Mutter, damit ich meine Keuschheit preisgäbe, läßt sich allein schon aus dem Umstände beurteilen, daß ich Haus und Eltern floh. Nach Osten konnte ich mich nicht wenden wegen der Nachbarschaft Persiens und der römischen Wachtposten. Deshalb lenkte ich meine Schritte nach Westen, nur mit geringem Mundvorrat, der mich vor der größten Not bewahren sollte, versehen. Um es kurz zu machen, ich kam endlich zur Wüste Chalcis, die zwischen Immae2 und Beroa3 mehr nach Süden zu liegt. Dort traf ich Einsiedler, von denen ich mich unterweisen ließ. Durch meiner Hände Arbeit verschaffte ich mir den nötigen Lebensunterhalt und durch Fasten bändigte ich die Sinnlichkeit. Nach vielen Jahren überkam mich das Verlangen, in die Heimat zu reisen. Auch wollte ich meine Mutter, welche dazumal noch lebte — die Kunde von des Vaters Tode hatte ich bereits vernommen — in ihrer Witwenschaft trösten. Weiter hatte ich vor, das Besitztum zu verkaufen, um einen Teil an die Armen zu verschenken, einen anderen dem Kloster zu stiften und einen dritten — warum soll ich mich schämen, meine Treulosigkeit zu bekennen? — aufzubewahren zur Stillung eigener Bedürfnisse. Mein Abt fing an, auf mich einzureden, dies sei eine Versuchung des Satans, hinter einem ehrenhaften Vorwande seien die Fallstricke des Feindes verborgen. Hier treffe das Sprichwort zu: "Der Hund kehrt zum eigenen Gespei zurück"4 . Auf diese Weise sei schon mancher Mönch getäuscht worden, niemals zeige sich der Teufel mit offenem Visier. Er wies mich hin auf viele Beispiele aus der Schrift, unter andern auf Adam und Eva, die der Satan am Anfange dadurch hintergangen habe, daß S. 76er in ihnen die Hoffnung erweckte, der göttlichen Natur teilhaftig zu werden. Als der Abt mich nicht zu überreden vermochte, warf er sich auf die Kniee und beschwor mich, ihn nicht zu verlassen, mich nicht ins Verderben zu stürzen und, die Hand am Pfluge, nicht rückwärts zu schauen5 . Doch wehe mir Elenden! Über denjenigen, der mich warnte, trug ich einen überaus beklagenswerten Sieg davon, dachte ich doch, er sei weniger auf mein Heil als auf seinen Vorteil bedacht. Er begleitete mich, als ich das Kloster verließ, wie wenn er einen Leichnam hinausbrächte, und als letzten Abschiedsgruß rief er mir zu; "Ich sehe dich gebrandmarkt mit dem Brandmal des Satanskindes; ich suche nicht nach Gründen, ich nehme keine Entschuldigung an. Das Schaf, welches die Hürde verläßt, wird bald dem Wolfe zur Beute fallen."
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Nisibis [jetzt Nissibin, im Altertum Mygdonios] liegt in Mesopotamien. Die Stadt ist berühmt durch die von Barsumas im 5. Jahrhdt. gegründete theologische Schule, welche im nestorianischen Geiste wirkte. ↩
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Immae ist die syrische Hafenstadt Seleucia an der Mündung des Orontes. ↩
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Beroa ist der Name der Stadt Aleppo, welchen ihr Seleucus I. beigelegt hat. ↩
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2 Petr. 2:22. ↩
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Luk. 9:62. ↩
Edition
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Vita Malchi monachi captivi
III
[Malchi historia.]
«Ego», inquit, «mi nate, Nisibeni agelli colonus, solus parentibus fui. Qui cum me quasi stirpem generis sui et heredem familiae ad nuptias cogerent, monachum potius me velle esse respondi. Quantis pater minis, quantis mater blanditiis persecuti sint, ut pudicitiam proderem, haec res sola indicio est, quod et domum et parentes fugi. Et quia ad orientem ire non poteram propter vicinam Persidem et Romanorum militum custodiam, ad occidentem verti pedes pauxillum nescioquid portans viatici, quod me ab inopia tantum defenderet. Quid multa? Perveni tandem ad eremum Calchidos, quae inter Immas et Beroeam magis ad austrum sita est. Ibi repertis monachis eorum me magisterio tradidi manuum labore victum quaeritans lasciviamque carnis refrenans ieiuniis.
Post multos annos incidit mihi cogitatio, ut ad patriam pergerem et, dum adhuc viveret mater (iam enim patrem mortuum audieram), solarer viduitatem eius et exinde venumdata possessiuncula partem erogarem pauperibus, partem monasterio constituerem - (quid erubesco confiteri infidelitatem meam?) partem in sumptuum meorum solacia reservarem. Ob hoc clamare coepit abbas meus diaboli esse temptationem et sub honestae rei occasione latere antiqui hostis astutias. Hoc esse canem reverti ad vomitum suum; sic multos monachorum deceptos; numquam diabolum aperta fronte se prodere. Proponebat mihi exempla de scripturis plurima, inter quae illud, quod initio Adam quoque et Evam spe divinitatis supplantaverit. Et cum persuadere non posset, provolutus genibus obsecrabat, ne se desererem, ne me perderem, ne aratrum tenens post tergum respicerem. Vae mihi misero: vici monitorem pessima victoria reputans illum non meam salutem, sed suum solacium quaerere. Prosecutus ergo me de monasterio, quasi funus efferret, et ad extremum valedicens ‹Video›, ait, ‹te, fili, Satanae notatum cauterio. Non quaero causas; excusationes non recipio. Ovis, quae de ovili egreditur, lupi statim morsibus patet.›