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S. 1 [im 1. Band der „Geschichte des Zosimus“] Zosimus hat das Schicksal mit nicht wenigen Schriftstellern des Alterthums gemein, daß uns von ihren Lebensumständen mehr nicht bekannt ist, als was sie in ihren Schriften hier und da davon mitzutheilen für gut fanden. Die Aufschrift seines Werkes sagt uns mit wenigen Worten, wer er gewesen! und über sein Zeitalter können uns allein einige, nicht ganz vernehmliche, Winke belehren, welche uns die in seiner Erzählung zerstreuten Aeusserungen geben.
In der Aufschrift seines Buchs, welche Photius in seiner Bibliothek ebenfalls anführt, und dadurch zu einem hohen Grade von Glaubwürdigkeit erhebt, heißt er Comes und gewesener Advocatus Fisci, oder Anwalt der Schatzkammer. Hundert und funfzig Advocaten oder Anwälte waren durch landesherrliche Autorität in dem Gerichtshofe des Prätorischen Präfekts vom Oriente angestellet; von welchen sechzig, nach andern vier und sechzig, durch besondere Privilegien und vornämlich dadurch ausgezeichnet waren, S. 2 daß aus ihrer Mitte jedes Jahr, oder alle zwei Jahre zween erwählt wurden, welche für die jährliche Bestallung von sechzig Pfund Gold die Geschäfte und Rechte der Schatzkammer zu vertheidigen hatten. Nach Verlauf der ihrem Amte bestimmten Frist, erhielten sie als Belohnung den Rang der Spectabiles, den Namen Comes Consistorianus, und konnten allmählig zu den höchsten Staatsämtern gelangen, wozu ihnen durch ihr Geschäfte der Weg ganz gebahnt worden war. Dieses Amt hatte Zosimus bekleidet; ohne daß er, wenigstens als er sein Buch schrieb, eine höhere Stufe erstiegen hätte. Wären wir in der günstigen Lage, alle seine Lebensumstände, erfüllte und fehlgeschlagene Hoffnungen, Freunde und Feinde zu kennen, so würden wir einen sicherern Führer in Beurtheilung seiner Schriften, deren Glaubwürdigkeit und der Veranlassungen haben, welche ihn gerade auf seinen Standpunkt in Beurtheilung gewisser Dinge stellen mochten. Aber so ungünstig war ihm oder uns das Geschicke, daß wir selbst sein Zeitalter nur nach Muthmaßungen bestimmen können, und darin verschiedene Meinungen haben.
Evagrius, welcher seine Kirchengeschichte im Jahr 591. schrieb, und zweifelt: ob Zosimus unter den Regierungen des Arkadius und Honorius gelebt habe? gibt uns dadurch eine Epoche, nämlich das Jahr 591. an, über welches hinaus wir unsers Geschichtschreibers Zeitalter sicherlich nicht rücken dürfen. Der leztere aber bestimmt selbst durch die Anführung des Syrianus, B. IV. K. 18., welchen man um S. 3 das Jahr 431. sezt, den Anfang der Periode, innerhalb welcher man sein Zeitalter setzen und suchen muß, zwischen 431. und 591. Raum genug, welcher aber doch durch zwey andere, aus Zosimus selbst entlehnte, Wahrscheinlichkeiten ziemlich verengt werden kann!
Einmal: indem Zosimus im dritten Buche K. 32. und im vierten Buch, K. 59. das Unglück seiner Zeiten beklaget, sagt er ausdrücklich: das Unglück des Reiches sey so groß, daß den Römern kaum noch etwas von ihrer vorigen Größe übrig sey, indem einige Provinzen in die Gewalt der Barbaren gerathen; andere so sehr verwüstet seyen, daß man nicht einmal die Lage ihrer vorigen Städte mehr wisse. Sicherlich ist dieses der Ausdruck eines Schriftstellers, der die Kraft der Herrschaft nicht blos geschwächt, sondern deren Umsturz gewissermaßen vor Augen erblickt. So groß auch zu Honorius Zeiten schon der Verfall des Reichs war, so paßt dessenungeachtet diese Schilderung noch nicht auf dieselbe, daß man mit einigen Gelehrten annehmen dürfte, der Geschichtschreiber habe in dessen Zeitalter gelebt. Stärker ist noch dessen Ausdruck im 21ten Kapitel des vierten Buchs, wo er das Anzeichen von dem gänzlich erstorbenen, nur noch aufblickenden Menschen, in dem damals ganz zu Grunde gerichteten Römischen Staate erfüllt sieht.
