3.
Obschon ich zu allen, wie sie zu mir, eine große Liebe trug, so liebte ich doch einen Bruder, der fast gleichen Alters wie ich war, mehr als die übrigen. Wir beide lasen miteinander die Lebensgeschichten der Heiligen. Wenn ich nun die Martern betrachtete, die die Heiligen meines Geschlechtes um Gottes willen erduldet hatten, so schien es mir, sie hätten den Hingang zum Genusse Gottes sehr wohlfeil erkauft, und ich wünschte sehnlich, auch so zu sterben; jedoch geschah dies nicht so fast aus Liebe zu Gott, die ich in mir empfunden hätte, als vielmehr, um auf so kurzem Wege zum Genusse jener großen Güter zu gelangen, die, wie ich las, im Himmel aufbewahrt sind. Ich besprach mich deshalb mit diesem meinem Bruder darüber, welches Mittel auch uns dahin führen könnte. Wir kamen miteinander überein, daß wir um der Liebe Gottes willen Almosen bettelnd in das Land der Mauren ziehen wollten, damit uns dort das Haupt abgeschlagen würde. Ich glaube auch, der Herr hätte uns in einem noch so zarten Alter Mut genug verliehen, unsern Entschluß auszuführen, hätten wir nur irgendwie eine Möglichkeit dazu gefunden. Das größte Hindernis schien uns der Umstand zu sein, daß wir unsere Eltern noch hatten. Wir verwunderten uns auch sehr darüber, als wir lasen, daß jenseits Pein und Glorie ewig dauern. Gar oft war dies der Gegenstand unserer Unterhaltung, wobei es uns ein Vergnügen machte, oft die Worte zu wiederholen: »ewig, ewig, ewig!« Durch das häufige Aussprechen dieser Worte gefiel es dem Herrn, daß mir in jenem kindlichen Alter der Weg der Wahrheit eingeprägt blieb. Da ich nun die Unmöglichkeit einsah, dahin zu gelangen, wo wir für Gott den Tod erleiden könnten, so beschlossen wir, Einsiedler zu werden. Wir suchten also in einem Garten, der beim Hause war, so gut wir es vermochten, Einsiedeleien zu bauen, indem wir kleine Steine aufeinanderlegten. Da aber diese immer gleich wieder zusammenfielen, so fanden wir auch hier kein Mittel mehr, unser Verlangen ins Werk zu setzen.
